Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021
grundls grundgesetz Boris Grundl 56 wirtschaft + weiterbildung 06_2021 Es gibt zwei bekannte Antriebsformen: die Hin-zu- Motivation und die Weg-von-Motivation. Bei ersterer bewege ich mich auf etwas zu, weil ich das Ziel aus bestimmten Gründen als lohnenswert erachte. Mün- det der Weg im Ziel, erfahre ich tiefe Befriedigung – beim Gehen des Weges, nicht durch das Erreichen des Ziels. Andere erhoffen sich durch Erfolge Bestä- tigung von außen oder sich selbst. Beim Weg-von- Antrieb bewege ich mich, weil ich etwas vermeiden will. Das wird uns bewusst, wenn die eigene Energie durch eine Deadline wächst. Dann erkennen wir, wie oft Schmerzvermeidung uns antreibt. Es gibt kaum jemanden, der diese Antriebe nicht kennt. Doch sehr viele Menschen bleiben beim Kennen stecken und haben es noch nicht zum Könner geschafft. Diese Energiequellen tiefer zu erforschen, lohnt sich. Sie sind das Salz in der Suppe. Doch was ist die Suppe? Wenn wir uns mit der Transformation von Firmen- kulturen beschäftigen, hilft das Verständnis von drei großen Einflussfaktoren, die durch Anwendung zu Antreibern werden. Bildlich gesprochen: drei Arten von Suppe. Stellen Sie sich ein Dreieck vor. Links unten steht Macht – eine Kraft, die sich viele Idealisten und Realitätsverweiger am liebsten weg- wünschen. Doch sie wirkt jeden Tag mit großem Einfluss auf der ganzen Welt. Auch am Arbeitsplatz: sei es die Angst, den Job zu verlieren, die Sorge vor Bedeutungslosigkeit oder der Wunsch nach Karri- ere. Die rechte Ecke symbolisiert Beziehungen, also Netzwerke. In diesem Bereich entsteht Sympathie durch gemeinsame Interessen. Es gilt: Eine Hand wäscht die andere. Geben und nehmen. Auch diese Kraft wirkt täglich auf der ganzen Welt. Je größer die Organisation, desto größer der Einfluss von Netzwerken und damit auch die Gefahr des Miss- brauchs, je nach Interessenlage. Auf der Spitze des Dreiecks prangt Sinnhaftigkeit. Antrieb durch das Erleben von Sinn – eine ganz andere Art von Einflussfaktor. Vor deren Erleben braucht es die Einsicht. Wenn ich etwas einsehe, erkenne und erkenne ich es an. Diese Form der Anerkennung kann im besten Fall Weisheit sein. Manche verwechseln Einsicht mit Begeisterung. Wenn ich begeistert bin, bin ich voller Geist. Doch es kommt darauf an, wie tief mein Geist dabei geht. Oberflächliche Geister werden von oberflächlichen Dingen angesteckt. Das zeigt sich, wenn Begeiste- rung sehr kurzlebig bleibt. Wie eine heiße Dusche. Einsicht ist etwas viel Kraftvolleres und Nachhal- tigeres. Weil sie tiefer geht. Deswegen schlägt sie Begeisterung bei Weitem. Nur wer sein eigenes Erleben von Sinnhaftigkeit ständig erweitert, kann andere zu tieferen Einsichten führen. Damit wird auch klar, warum Einsicht für die Zukunft so wichtig ist. Wir wollen einsehen, warum etwas zu tun ist, wohin es führt, wie weit es durch- dacht ist. Dieser Wunsch nimmt kollektiv zu. Ob wir über Ökologie oder Ökonomie sprechen, über Vielfältigkeit oder Antidis- kriminierung. Sinnhaftigkeit wurde noch vor kurzer Zeit von den anderen beiden Polen belä- chelt. Doch ihre Zeit ist gekommen. Das Erleben von Sinn wird Macht und Beziehungen einen wunder- baren Ausgleich geben. Das bedeutet nicht, dass sich die beiden dadurch auflösen. Durch Sinnhaftig- keit finden wir die goldene Mitte im Dreieck. Men- tale Transformation einer Kultur bedeutet, dass aus diesem Dreieck eine kraftvolle Pyramide entsteht, die für zukunftsfähige Firmenkulturen sorgt. Paragraf 96 Sorge für Einsicht! Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber des Grundl Leadership Instituts, das Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Er gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein jüngstes Buch heißt „Verstehen heißt nicht einverstanden sein“ (Econ Verlag, Oktober 2017). Boris Grundl zeigt, wie wir uns von oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken verabschieden. Wie wir lernen, klug hinzuhören, differenzierter zu bewerten, die Perspektiven zu wechseln und unsere Sicht zu erweitern. www.borisgrundl.de Oberflächliche Geister werden von oberflächlichen Dingen begeistert. Dann ist Begeisterung kurzlebig. „ „
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