Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021

training und coaching 36 wirtschaft + weiterbildung 06_2021 tag in die neue Lernumgebung ‚Natur‘ (zum Beispiel den Wald): Nach einem kurzen Small-Talk gehen alle, ohne zu sprechen, in den Wald, um den Kopf frei zu bekommen und um in die neue Um- gebung hineinzukommen. Heutzutage nehmen sich Menschen oft zu wenig oder keine Zeit für Übergänge oder vermischen sogar alles miteinander – zum Beispiel wenn ein Vater neben seiner Familie auf dem Sofa sitzend mit dem Laptop arbei- tet, vermischen sich Familie und Beruf. 2. Sinne schärfen: Das Hochfahren aller Sinne gilt als Voraussetzung für inten- sivere Selbstwahrnehmung, Wahrneh- mung der Natur und Aufmerksamkeit im Gespräch. So wie der Koch sein Messer wetzt, bevor er es benutzt, werden die Sinne bei einem „Mönchsgang“ oder einem Sinnesparcours geschärft. Unsere kontinuierlichen Sinneswahrnehmungen sind der Anfang jedes Erlebens, Denkens und Handelns. Und sie sind in jeder Se- kunde ein ständiger Begleiter, bei allem was wir tun. Deshalb wird den Sinnen vor und während des Natur-Coaching- Prozesses besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 3. Ausgleichsübungen: Je nach Bedarf findet ein flexibler Ausgleich von An- spannung und Entspannung auf physi- scher und psychischer Ebene statt. Je nach mitgebrachtem Spannungszustand stehen hierfür verschiedene Methoden zur Verfügung – zum Beispiel mentale Entspannungsübungen, meditatives Gehen, Wurfübungen, traditionelles Bo- genschießen und andere Übungen. Wer zum Beispiel täglich sehr viel mentalen Stress durch Computerarbeit oder Tele- fongespräche hat und sich dabei wenig bewegt, dem werden zum einen Übungen für mentale Entspannung und zum ande- ren aktive Bewegungsübungen gut tun, um in einen ausgeglichenen Zustand zu kommen, in dem er auch einen besseren Zugang zu seinen eigenen, verschütteten Ressourcen hat. Unser Fühlen und Denken ist geprägt von unseren gemachten Erfahrungen, die, wenn wir uns daran erinnern, in einem Erlebnispaket aus verschiedenen Wahr- nehmungen und Reizen daherkommen – zum Beispiel Atmung, innere Bilder, Geräusche, gesagte oder gedachte Wörter und Sätze, spürbare körperliche Reaktio- nen und Emotionen. Das alles beeinflusst unser aktuelles Erleben und unser Han- deln bewusst und zum größeren Teil un- bewusst bei dem, was wir täglich tun. Die Auswirkungen werden zum Beispiel auch bei Entscheidungen und scheinbar ratio- nalen Themen als Belastung und Störung wahrgenommen. Und persönliche Ziele sind immer verbunden mit angestrebten Emotionen als zentrale bewusste oder unbewusste Motivation, die wiederum Auslöser ganz konkreten Verhaltens sind. Nach den vorbereitenden Übungen, der Problembeschreibung und der Auftrags- klärung folgen passende Interventionen, die für emotionale (Fühlen) und rationale (Denken) Klarheit sowie für eine spür- bare Verbesserung und Erleichterung di- rekt im Coaching-Prozess sorgen und da- nach auch bei der konkreten Umsetzung. Während und nach jeder Intervention kann jeder Klient bereits einen Fortschritt feststellen - körperlich spürbar oder in Form von konkreten Lösungsideen. Das Entwickeln konkreter guter Schritte für die weitere Umsetzung sorgen für die Übertragbarkeit in den Alltag. Während einer Coaching-Strecke findet fast immer eine Mischung aus neuem Lösungserle- ben und der Entwicklung und Planung der nächsten Schritte in Richtung Zieler- reichung statt. Mal mehr das eine, mal mehr das andere. Unter anderen finden im Einzel-Coaching häufig folgende Interventionen Anwen- dung: Walk and Talk, Ankertechniken, Drei-Wege-Kreuzung, Ressourcen-Weg, Naturaufstellungen, Zielarbeit mit Bo- genschießen, Hindernis- und Lösungs- weg, Trance im Gehen, Geh-mit-Dir- Methode, Wertebilanz und andere. In Team-Coachings kommen je nach Thema zum Beispiel Open Walk, Team-Dreiecke, Teamaufstellungen, Zielarbeit mit Bogen- schießen und verschiedene interaktive Teamaufgaben zum Einsatz. Eine Coa- ching-Strecke (Sitzung wäre sehr unpas- send, da wir uns auch bewegen) dauert in der Regel zunächst einen Tag (sechs bis acht Stunden). Auf dem Weg steht meist eine komfortable Jagdhütte zur Ver- fügung. Spätere Coachings können auch in kürzerer Zeit durchgeführt werden (ab drei Stunden). Je nach mitgebrach- ten Themen kann es sein, dass ein Tag als ausreichend wahrgenommen wird. Im Rahmen einer Natur-Coaching-Auszeit dauern die täglichen Coaching-Einheiten zwei bis drei Stunden. Carsten Gans R Buchtipp. Coaching in der Natur wird nicht mehr belächelt, seit die Wirkung des Gehens auf unser Gehrin bekannt ist und seit der Trend zum Waldbaden das gesundheitsför- dernde Klima des Waldes bekannt gemacht hat. Wie Coaching beim Wandern genau funktioniert, beschreibt jetzt ganz ausführ- lich ein aktuelles Praxishandbuch, das Coa- ching-Konzepte, Coaching-Methoden und viele unterschiedliche und erprobte Einzel- und Teaminter- ventionen vorstellt. Zusätzlich überzeugen die Autoren mit einem fundierten Theorieteil mit Definitionen, Hintergründen und Besonder- heiten wie zum Beispiel der Transferthematik. Carsten Gans, Katja Dienemann, Anja Hume, André Lorino: „Arbeitsraum Natur: Handbuch für Coaches, Therapeuten, Trainer und Organisationen“, Springer, Wiesbaden 2020, 438 Seiten, 55.99 Euro „Zurück zur Natur“

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