Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021

wirtschaft + weiterbildung 06_2021 35 neben seinem Verstand auch seinen ei- genen bewegten Körper nutzen kann, um Fortschritte zu machen. Da der Kör- per wesentlich am Erleben eines Prob- lems beteiligt ist (zum Beispiel in Form von somatischen Beschwerden bis hin zu körperlichen Ausfallerscheinungen) haben Natur-Coachings mit Bewegungs- elementen einen bedeutsamen Vorteil gegenüber dem Coaching in umbauten Räumen. Der Körper kann dabei besser an einer Lösung beteiligt werden. Welche größere Bedeutung die einfachste Bewe- gung, das Gehen, hat, zeigt auch unsere Alltagssprache: Schließlich fragen wir einen anderen Menschen, für den wir uns interessieren, auf Deutsch und in vielen anderen Sprachen „Wie geht es dir?“ und nicht „Wie sitzt es dir?“. Auf der Basis langjähriger Erfahrung sagen Natur- Coachs: „Wer etwas bewegen will, muss sich bewegen.“ Emotionale Erlebnisse helfen Unser Gehirn kann sich eine Sache besser merken, wenn mit der Sache Emotionen verbunden sind. Aufregende emotionale Erlebnisse werden in der benachbarten Hirnregion verarbeitet wie Dinge, die wir lernen. So können wir uns eine Er- zählung leichter merken, wenn wir mit dieser Erzählung starke Emotionen ver- binden. Und je mehr Sinneseindrücke wir haben, desto mehr (positive) Emotionen können wir auch aus unserem Gedächt- nis abrufen, die wir schon einmal erlebt haben. Einfache und zugleich intensive Sinneseindrücke gibt es reichlich in der Natur und somit nahezu ideale Lernbe- dingungen. Ein neues, verbessertes Er- leben während eines Natur-Coachings ist dadurch besonders eindrücklich und nachhaltig positiv. Warum und wie die Natur und insbesondere der Wald uns Menschen hilft, wird immer besser er- forscht. So haben zum Beispiel Clemens Arvey und Peter Wohlleben in ihren Best- sellern „Der Biophilia-Effekt“ und „Das geheime Leben der Bäume“ aktuelle Wirksamkeitsstudien zusammengetra- gen. Der Japanische Professor Yoshifumi Miyazaki hat in seinem Buch „Shinrin Yoku – Heilsames Waldbaden“ sehr an- schaulich die Geschichte dieser naturthe- rapeutischen Methode beschrieben. Wir können im Wald sauerstoffreiche, frische Luft atmen. Die Bewegung in der Natur hat erwiesenermaßen positive Effekte auf Stresslevel, Immunsystem, Stoffwechsel und Kreislauf. So erhöht bereits ein Auf- enthalt von wenigen Stunden unsere Ab- wehrkräfte in Form von Killerzellen um 40 Prozent. Nur 15 Minuten Spazieren- gehen erhöht die Aktivität des Parasym- pathikus um über 100 Prozent, was in di- rektem Zusammenhang mit Entspannung steht. Und Studien aus Japan zeigen, dass sich der Blutdruck automatisch um neun bis zwölf Prozent senkt. Wir fühlen uns in der Natur auch irgendwie mehr zu Hause. Was einleuchtend ist, wenn man weiß, dass wir Menschen im Laufe unse- rer Evolution mehr als 99,99 Prozent un- serer Zeit in der Natur verbracht haben. Und gesund bleibt oder wird man doch am liebsten und besten „zu Hause“. Neben diesen gesunden Nebeneffekten helfen die Übungen und Interventionen, die mit einem Coaching einhergehen, un- sere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit zu schärfen sowie unsere Achtsamkeit für uns selbst, für die uns umgebende Natur und für unsere Mitmenschen zu fördern. Nebenbei kann im Wald auch das Ver- trauen in die eigene Intuition gestärkt werden, die täglich sehr häufig und un- bewusst und fast immer in wichtigen Mo- menten des Lebens unsere Entscheidun- gen trifft. Und natürlich werden immer auch neue und konkrete Antworten auf Fragestellungen mit nach Hause genom- men, die mit den persönlichen Themen zusammenhängen, welche die Menschen in den Wald geführt haben. Das Natur-Coaching-Konzept Mein Natur-Coaching steht auf einem eher christlichen und wissenschaftlichen Fundament. Einige meiner Methoden haben ihre Ursprünge in der humanis- tischen Psychologie. Andere Methoden konnte ich aufgrund meiner vielfältigen Erfahrungen selbst entwickeln (zum Beispiel „Trance im Gehen“). Mit dem Fokus auf „Erlebnis-Netzwerke“, der Nutzung des „untrüglichen Körperwis- sens“, dem Gestalten eines dafür „ein- ladenden Kontextes“ (Lernumgebung) und der Betonung von „unwillkürlichen“ (intuitiven und unbewussten) Prozessen fühle ich mich mit meiner Arbeit dem hypno-systemischen Konzept von Dr. Gunther Schmidt besonders nahe. Denn unbewusstes, intuitives Vorgehen spielt in meinen Übungen und Interventionen eine sehr große Rolle, da es oft einen viel leichteren Zugang zu alten und neuen Informationen und Ideen ermöglicht und die Kreativität fördert. Im Unterschied zur Hypnosystemik spielt jedoch bei meiner Arbeit die Bewegung eine größere Rolle. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass jeder Mensch die notwendigen Ressour- cen und Möglichkeiten hat, um in einem kontinuierlichen Prozess von persönli- cher Entwicklung, privates Glück und beruflichen Erfolg zu erreichen und dass lebenslanges Lernen hierfür möglich und förderlich ist. So geht der Coaching-Prozess in der Natur Bei meinem Natur-Coaching ist der Ab- lauf zu Beginn zusätzlich geprägt von be- sonderen Übungen, die dazu führen, dass der einzelne Coachee oder das zu coa- chende Team bei den anschließenden In- terventionen möglichst gut Bedeutungen, Ursachen, Auslöser und Wirkungen ihrer Themen erkennen und Lösungsmöglich- keiten entwickeln können: 1. Es gibt einen stummen Übergang: Wört- licher Übergang vom (oft stressigen)All- Carsten Gans ist Diplom-Kauf- mann, Businness- Coach, lang jähri- ger Natur-Coach und Outdoor-Trainer. Seit 2011 leitet er als Lehrtrainer in einer Weiter- bildungsreihe unter anderem eine Ausbildung zum zertifizierten Natur- Coach für Coachs, Therapeuten, Füh- rungskräfte und Quereinsteiger. Mit drei Co-Autoren schrieb er das Buch „Arbeitsraum Natur“. Lange Theile 6 97909 Stadtprozelten Tel. 09392 935956 www.natur-coaching.de AUTOR R

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