Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021
personal- und organisationsentwicklung 28 wirtschaft + weiterbildung 06_2021 Daran zeige sich auch, dass digitales Ler- nen nicht automatisch günstiger ist als Präsenztrainings. Die professionelle In frastruktur benötige auch einen Invest. Zur Professionalisierungsphase gehört es auch, dass jetzt nicht mehr allein die schnelle Reaktion auf die Mitarbeiter- nachfrage und die technische Umstellung auf das Digitale im Vordergrund stehen. Nun geht es darum, Lernkonzepte für die Zukunft zu erarbeiten. Die Teilneh- mer des Branchentalks sind sich darüber einig: Den Zustand wie vor der Corona- pandemie wird es in der Weiterbildung nicht mehr geben. Die erarbeiteten digi- talen Konzepte werden weiter Bestand haben. Die Herausforderung wird sein, Präsenztrainings und E-Learnings neu miteinander zu verbinden. Dabei ist Blen- ded Learning nur eine von vielen Lernfor- men. Vielmehr liegt die Lösung in hybri- den Lernwelten. Die Zukunftsvision besteht aus hybriden Lernwelten Das Hybride umfasst dabei mehrere Di- mensionen. Eine ist die Mischung aus Online- und Offline-Formaten. Präsenz- trainings werden nach wie vor als sehr wertig betrachtet und es gibt ein großes Nachholbedürfnis für den direkten Aus- tausch vor Ort. Denn die virtuelle Arbeit ist nach der experimentellen Anfangs- phase in Routine übergegangen und löst nun Müdigkeit aus. Das sei bei Otto- bock schon zu spüren, teilt Schalansky ihre Erfahrung. „Ich denke, wenn wir ins Büro zurückkehren können, wird die Nachfrage nach Präsenztrainings groß sein. Das wird mit der Zeit dann wieder abflauen und sich einpendeln.“ Sie geht davon aus, dass ein Lernthema künftig zugeschnitten auf die Wünsche der Mit- arbeiter sowohl digital als auch in Prä- senzform zur Verfügung gestellt wird. So wird eine starke Individualisierung der Angebote stattfinden. Christian Wachter von IMC teilt diese Pro- gnose, betont aber auch: „Es wird kein gänzliches freies Wunschkonzert für die Mitarbeiter sein. Aber die Einstellung, dass es für ein Lernziel nur ein Ange- bot gibt, wird Vergangenheit sein.“ Und Schulte-Kutsch ergänzt: „Wir werden er- fassen müssen, welche Ziele man in wel- chem Setting am besten erreichen kann.“ Eine Variante könnte sein, dass die reine Wissensweitergabe künftig stark von Online-Formaten geprägt sein wird, denn entsprechende E-Learnings haben in der Pandemiezeit eine sehr große Akzeptanz gefunden. Wo mehr Diskurs und direk- ter Austausch erforderlich ist, wie zum Beispiel bei Führungs- und Kommunika- tionsthemen, werden sich wohl wieder Präsenztrainings etablieren. Hinzu kommt eine zweite Dimension der hybriden Lernwelt: die Kombination von synchronen und asynchronen Lern- phasen. Während früher Präsenzveran- staltungen für das synchrone Lernen ge- dacht waren und die Online-Phasen für das asynchrone Lernen, wird künftig die synchrone Phase teilweise auch online stattfinden. Die Herausforderung dabei: „Einige Teilnehmer werden vor Ort an der Präsenzveranstaltung teilnehmen, wäh- rend sich andere online dazuschalten. Ein solches Zusammenspiel bietet große Chancen, zugleich müssen wir eine Zwei- klassenwelt verhindern“, warnt Scholl. Ein dritte Dimension der hybriden Lern- welt besteht in der Mischung von drei Quellen von Lernangeboten: der Mix aus „User Generated Content“, den die Mitar- beiter erstellen, sowie Inhalte von exter- nen Anbietern und internem Content der Unternehmen. Gerade der von Mitarbei- tern selbst erstellte Inhalt hat in der Pan- demie einen Aufschwung erfahren. Aber auch die Akzeptanz von neuen Formaten, über die Content bereitgestellt wird, ist wesentlich gestiegen: „Playlists, Abon- nements von Lerninhalten und Learning- Experience-Plattformen samt Lernemp- fehlungen werden künftig enorm wichtig sein. Da haben wir einen unwahrscheinli- chen Sprung nach vorne gemacht“, kom- mentiert Christian Wachter. Mit diesen Formaten erhalten die Mit- arbeitenden zudem mehr Selbstverant- wortung für ihre Weiterbildung, indem sie aus dem großen Angebot frei wählen können. „Der Lerner entscheidet künftig stärker, was er oder sie braucht“, bestätigt Christina Schulte-Kutsch. Gamification kann eine Ergänzung sein Fraglich ist noch, wie stark gamifizierte Angebote darin vorkommen werden. Während der Pandemie ist die Nach- frage dazu gestiegen, jedoch weniger in Deutschland, sondern im Ausland, wie IMC-Vorstand Wachter sagt: „Im asiati- schen Bereich ist Gamification das Mega- Thema. Trainings müssen dort immer eine spielerische Form wie zum Beispiel ein Quizduell enthalten.“ So berichtet Wachter von einem deutschen Automo- bilhersteller, der sein Flaggschiff in die Händlerorganisation in Asien einführte und dafür auf vollständig gamifizierte Trainings setze: „Das war kein einfaches E-Learning mehr und kein Präsenztrai- ning, das war ein hoch interaktives Quiz, in dem Händlerorganisationen gegenei nander gespielt und sich auf diese Weise mit dem neuen Automobil auseinander- gesetzt haben.“ Wichtig sei dabei, den er- forderlichen Business Outcome nicht vor lauter Bespaßung zu vergessen. Nur mit der Analyse des Lerntransfers könne die Personal- und Organisationsentwicklung den Aufwand rechtfertigen. Zudem ist Game nicht gleich Game. Es gibt stark spielerische, punktebasierte Angebote, die das Lernen als Wettkampf inszenieren und es gibt gamifizierte Trai- nings, die auf dem Prinzip basieren, einen Expertenstatus zu erlangen – zum Bei- spiel in Form von Badges für die Hilfe für Kollegen. „Man muss hinterfragen, inwie- fern die gamifizierten Angebote eher ex- trinsisch wirken, statt die entscheidende intrinsische Motivation zu stimulieren. Es gilt, genau zu überlegen, was man errei- chen will“, betont Hartmut Scholl. Seine Wette für die Zukunft: „Ich glaube, dass gamifizierte Elemente, die ähnlich einer Fitness-App die eigene Learning-Perfor- mance und Feedback zur Leistung in den Mittelpunkt stellen, funktionieren wer- den.“ In jedem Fall könnte Gamification R „ Playlists, Abos und Learning-Experience-Plattformen werden künftig wichtig sein.“ Christian Wachter, IMC
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