Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021

R wirtschaft + weiterbildung 06_2021 23 rung. Unternehmen, Sozial- und Wirt- schaftspartner, Weiterbildungsträger und die Regierungen auf Bundes- und Landes- ebene teilen sich die Verantwortung für die Weiterbildungslandschaft. Mit Bezug auf Daten des BIBB schätzt die OECD, dass es in Deutschland rund 18.000 öffentliche und private Weiterbil- dungsanbieter gibt, die oft eine Mischung aus berufsbezogener und allgemeiner Weiterbildung im Portfolio haben. Wäh- rend formale Lernangebote meist gesetz- lichen Regelungen und einer offiziellen Qualitätssicherung unterliegen, sei dies bei nicht-formalen Angeboten freiwillig. 80 Prozent nutzten Qualitätssicherungs- systeme, jedoch sehr unterschiedliche. Angesichts der Vielzahl und Heterogeni- tät der Weiterbildungsanbietern sei es für Einzelpersonen schwierig, passende Wei- terbildungen und Förderungsmöglichkei- ten zu erkennen. Deshalb braucht es laut OECD: • eine Vertiefung der Zusammenarbeit der Akteure im Kontext der „Nationa- len Weiterbildungsstrategie“, • die Entwicklung eines deutschen Wei- terbildungsgesetzes, das einen gemein- samen Rechtsrahmen im gesamten Bundesgebiet sicherstellt, sowie • die Ausgestaltung und Einführung von Mindestqualitätsstandards für Weiter- bildungsanbieter. 2. Beschleunigung der Weiterbildungs- beratung und Teilqualifizierung. Die Weiterbildungsberatung in Deutsch- land ist laut OECD-Analyse so vielfältig wie die Weiterbildungslandschaft selbst. Nicht nur die Vielzahl der Akteure wie etwa Behörden, Unternehmen, Sozial- partner, Kammern und Weiterbildungs- anbieter, sondern auch die große Aus- wahl an Online-Informationsangeboten, die nicht immer aufeinander abgestimmt sind, machen den Informationsdschungel komplett. Die OECD fordert deshalb: • die Einrichtung einer nationalen Initia- tive zur Weiterbildungsberatung, • die Entwicklung eines bundesweiten Rechtsrahmens für die Validierung von Kompetenzen, • die Etablierung von Teilqualifikationen als fester Strukturbestandteil der deut- schen Weiterbildungslandschaft sowie • die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die die Zusammenhänge zwischen Be- ratung, Validierung und Teilqualifika­ tionen systematisiert. 3. Erhöhung der finanziellen Mittel. Verlässliche und aktuelle Zahlen zu den Investitionen in Weiterbildung in Deutschland und vergleichbare interna- tionale Daten liegen laut OECD derzeit nicht vor. Dennoch spreche im Hinblick auf den erheblichen Nutzen von Weiter- bildung für Wirtschaft und Gesellschaft einiges für stärkere öffentliche Investitio­ nen. Es gebe zwar viele Fördermöglich- keiten, aber oft für sehr spezifische Ziel- gruppen und zugeschnitten auf regionale Bedürfnisse. Es mangele an Kohärenz, Strategie, Transparenz. Verschiedene Stu- dien zeigten, dass Zeitmangel aus berufli- chen Gründen ein größeres Hindernis für die Weiterbildungsbeteiligung darstellt als finanzielle Hürden. Viele OECD-Länder haben anders als Deutschland Bildungs- zeiten – in Norwegen sind etwa bis zu drei Jahren unbezahlte Bildungsfreistel- lung möglich, in Österreich alle vier Jahre ein Jahr bezahlte Bildungskarenz. Länder wie Estland, Finnland und Litauen er- möglichen bis zu 30 Tage Bildungsfreistel- lung pro Person und Jahr. In Deutschland brauche es also: • ein einheitliches Anreizsystem für Indi- viduen, • eine bundesweite Regelung für Bil- dungszeiten, • eine bessere Nutzung vorhandener Möglichkeiten, Bundesinvestitionen für Weiterbildung in die Länder zu lenken sowie • mehr Gesamtinvestitionen in Weiter- bildung und eine Prüfung zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten. 4. Teilhabe unter Erwachsenen mit geringeren Grundkompetenzen. Geringqualifizierte Erwachsene neh- men seltener an Weiterbildungen teil als Menschen mit höheren Qualifikationen – das ist in allen OECD-Ländern der Fall. Aber in Deutschland ist die Kluft beson- ders groß. Die Gründe sind vielfältig: Sie haben mit Persönlichkeitsmerkmalen, dem Geschlecht und dem Einkommen zu tun, aber auch mit dem Angebot. Da ihnen formale Abschlüsse fehlen, sind die Weiterbildungen oft langwieriger, unflexi- bler und auf Lernen in einem Klassenzim- mer beschränkt. Viele Geringqualifizierte glauben, dass sie ausreichend qualifiziert sind oder sehen keine Verbesserungsmöglichkeiten in einer Weiterbildung. Die OECD hat her- ausgefunden, dass sie deshalb oft nicht aktiv nach Lernmöglichkeiten suchen und sie Beratungsangebote oder Werbe- kampagnen nicht erreichen. Erfolgsver- sprechender sei es, Erwachsene mit ge- ringen Grundkompetenzen im gewohnten Umfeld wie dem Arbeitsplatz anzuspre- chen. Um die Löcher in der Lernbeteili-

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