Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021

wirtschaft + weiterbildung 06_2021 21 sam machen. Dies ist umso bedauer- licher, wenn die Mitarbeiter fachkompe- tenter sind als ihre Führungskraft. Hier wirkt das alte Prinzip des Einflusses von Autorität. Sich nicht gegen Autoritäten zu stellen, ist etwas sehr Natürliches. Wer offene Kritik fördern möchte, der muss aktiv daran arbeiten und eine Kultur des Feedbacks etablieren. Wahrscheinlich sind es aber gerade die Führungskräfte, die von einem solchen Feedback am meisten profitieren könnten, die eine ent- sprechende Offenheit blockieren. Viele wichtige Entscheidungen werden in Gruppen getroffen, beispielsweise in der Geschäftsführung oder im Vorstand. Die unausgesprochene Hoffnung ist dabei, dass die Gruppe zu besseren Entschei- dungen kommt als jeder einzelne, weil man sich untereinander austauscht. Lei- der ist diese Hoffnung allzu blauäugig. Gruppenprozesse können zu besseren Entscheidungen frühen, aber nur wenn man sie bewusst gestaltet. Ansonsten be- steht die Gefahr, dass Fehlentscheidungen sogar noch wahrscheinlicher werden. So zeigt beispielsweise die Forschung zum klassischen Brainstorming, dass der freie Austausch von Ideen in der Gruppe kei- neswegs zu vielfältigeren und besseren Ideen führt, sondern das genaue Gegen- teil der Fall ist. Gruppendiskussionen führen zudem oft zu extremeren Ent- scheidungen, weil sich die Gruppe argu- mentativ hochschaukelt. Dadurch wer- den waghalsige Entscheidungen wahr- scheinlicher, die auch ein höheres Risiko in sich tragen. Ein Extremfall schädlicher Einflüsse von Gruppenprozessen ist gege- ben, wenn die Gruppe eine Wagenburg- mentalität entwickelt und innerhalb der Gruppe abweichende Meinungen massiv unterdrückt werden. Schädliche Personalarbeit Zu guter Letzt sei noch auf schädliche Einflüsse aus dem Personalwesen verwie- sen. Die Personalarbeit kann die Wahr- scheinlichkeit für Fehlentscheidungen des Managements bis hin zum offenen Scheitern der Entscheidungsträger glei- chermaßen begünstigen oder reduzieren. In vielen Unternehmen dürfte leider er- steres der Fall sein. Schauen wir uns zur Verdeutlichung zwei Felder an. Gute Personalauswahl trägt dazu bei, dass von vornherein nur solche Personen in wichtige Managementfunktionen auf- rücken, die den Anforderungen der je- weiligen Stelle auch tatsächlich sehr gut gewachsen sind. Die Forschung zeigt seit Jahrzehnten, wie solche Auswahl- verfahren gestaltet werden müssten. In der Praxis ist dieses Fachwissen jedoch entweder nicht vorhanden oder es wird nicht umgesetzt. Eigentlich müsste die Qualität des Auswahlverfahrens mit der Bedeutung der Stelle anwachsen. Spitzen- manager müssen sehr viel professioneller und kritischer auf ihre Eignung überprüft werden als beispielsweise Hochschulab- solventen oder Teamleiter. In Deutsch- land scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Ab einer bestimmten Funktionse- bene zählt fast nur noch das Bauchgefühl der Entscheidungsträger, das Image eines Kandidaten und seine Netzwerke. Dies ist grundlegend falsch und begünstigt Fehl- entscheidungen bei der Stellenbesetzung. Zur Ehrenrettung von HR muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass bei beson- ders hohen Positionen die Personalabtei- lung meist nicht mehr mitreden darf. Die Entscheidung wird komplett in die Hände von selbsternannten Menschenkennern und Hobbydiagnostikern gelegt. Der zweite Bereich bezieht sich auf die Personalentwicklung. Die Möglichkeiten, menschliches Verhalten mit Mitteln der Personalentwicklung dauerhaft zu beeinflussen, sind überschaubar. Dies dürfte insbesondere für Entwicklungs- maßnahmen gelten, die sich an Per- sonen in machtvollen Positionen richten. Umso wichtige wäre es, hier Methoden zum Einsatz zu bringen, die einer solch schwierigen Aufgabe zumindest halb- wegs gewachsen sind. Ein Blick auf den Markt der Weiterbildungsangebote lässt befürchten, dass dies viel zu oft nicht der Fall ist. An die Stelle seriöser Weiterbil- dung tritt vielmehr das Prinzip der Ma- nagerbespaßung. Personalentwicklungs- maßnahmen müssen demzufolge vor allem unterhaltsam sein. Dabei wird das subjektive Erleben der Teilnehmer mit dem Nutzen der Maßnahme verwechselt. Ein Outdoor-Training oder ein Coaching mit Schafen ist sicherlich viel unterhalt- samer als Rollenspiele mit Videofeed- back. Leider bieten sie aber auch nicht mehr als Unterhaltung. Zudem ist der Markt der Anbieter von Coaching- und Trainingsmaßnahmen so heterogen, dass im Vergleich hierzu selbst eine Heilprak- tikerausbildung sehr seriös erscheint. Die fehlende Qualitätssicherung trägt letztlich dazu bei, dass in der Praxis die ohnehin geringen Spielräume der Personalent- wicklung zum Eindämmen von Manage- mentfehlern nicht genutzt werden. Der Weg zum Syndrom Die skizzierten Einflussfaktoren wirken nicht unabhängig voneinander. Sie sind vielmehr miteinander verwoben und ver- stärken sich bisweilen gegenseitig. Am Ende steht im schlimmsten Fall ein Syn- drom, dass sich nur noch durch eine radi- kale Teillösung – nämlich die Entfernung der Symptomträger aus dem Unterneh- men – effektiv behandeln lässt, und zwar bevor sie größeren Schaden anrichten. Uwe Peter Kanning

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