Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021

wirtschaft + weiterbildung 06_2021 19 sich bei der Stellenbesetzung ausschließ- lich von überfachlichen Kompetenzen – insbesondere der Persönlichkeit – leiten lässt. Letzteres, wenn nicht einmal über- fachliche Kompetenzen Beachtung finden und allein das vermeintliche Bauchgefühl oder das Prinzip der Protektion den Pro- zess der Stellenbesetzung beherrschen. Seit Jahrzehnten zeigt die Forschung, dass Menschen in systematischer Weise Denk- und Entscheidungsfehlern unter- liegen. Es gibt leider keinen Grund anzu- nehmen, dass dies für Manager automa- tisch in geringerem Maße gelten könnte als für den Durchschnitt der Bevölkerung. Die Denk- und Entscheidungsfehler sind den Betroffenen leider nicht bewusst und unterlaufen ihnen in gutem Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit. Dazu vier Bei- spiele: • Hindsight Bias: Im Nachhinein glaubt man etwas richtig eingeschätzt zu haben, obwohl dies gar nicht stimmt. Wenn eine Investition fehlschlägt, glauben die Verantwortlichen eigent- lich schon zum Zeitpunkt der Entschei- dungsfindung skeptisch eingestellt gewesen zu sein, obwohl dies nicht zutrifft. Der Hindsight Bias verhindert, dass man seine eigenen Fehler als sol- che erkennt und aus ihnen lernt. • Mere-Exposure-Effekt: Vertraute Dinge oder Informationen werden positiver bewertet als unvertraute. Verwendet beispielsweise ein Geschäftspartner Argumente, die seinem Gegenüber ver- traut sind, so werden diese weniger kri- tisch hinterfragt und zwar auch dann, wenn sie sachlich falsch sind. Dies be- günstigt Fehlentscheidungen. • Sunk-Cost-Effekt: An Fehlentschei- dungen wird zu lange festgehalten und dadurch ein größerer Verlust erzeugt, als unbedingt notwendig gewesen wäre. Man zieht also zu spät die Reiß- leine. Das Beharren ist umso stärker, je mehr Zeit die Manager in das Projekt investiert haben und je stärker ein Aus- stieg den eigenen Selbstwert angreifen würde. • Entscheidungsasymmetrie: Kleine Ver- luste werden subjektiv intensiver wahr- genommen als große. Dies führt dazu, dass man eine vermeintliche Fehlent- scheidung zu früh korrigiert, bevor sich der Verlust in einen Gewinn wan- delt oder man bei einer tatsächlichen Fehlentscheidung zu lange wartet, weil es bei zehn Millionen Euro Verlust auf zwei weitere Millionen auch nicht mehr anzukommen scheint. Destruktive Führung Selbstverständlich ist im Feld der ver- änderlichen Verhaltensweisen auch das Führungsverhalten zu nennen. Führungs- erfolg ist weitaus weniger durch Persön- lichkeitseigenschaften der Führungskraft als durch konkretes und damit auch prinzipiell erlernbares Führungsverhal- ten geprägt. Als negativ erweisen sich in der Forschung zwei Extreme, auf der einen Seite die Abwesenheit von Führung (Laissez-faire) und auf der anderen Seite die destruktive Führung. Führung nach dem Prinzip des Laissez-faire führt unter anderem zu einem reduzierten Commitment der Mitarbeiter. Destruktiv agierende Führungskräfte sind überkon- trollierend, herabsetzend und in ihrem Entscheidungsverhalten für die eigenen Mitarbeiter schwer einzuschätzen, weil sie häufig ihre Meinung ändern. Die de- struktive Führung geht mit einer gerin- geren Leistung, einer größeren Kündi- gungsabsicht und stärkeren Krankheits- symptomen der Mitarbeiter einher. Wer destruktiv geführt wird, dürfte darüber hinaus gern jede Gelegenheit nutzen, der eigenen Führungskraft zu schaden und sie bei Fehlentscheidungen ins offene Messer laufen zu lassen. Wie die Forschung zeigt, wirkt sich die Erfahrung der Führungskraft übrigens nicht von allein vorteilhaft auf das Füh- rungsverhalten aus. Erfahrung bietet zwar die Chance etwas zu lernen, diese Chance muss aber aktiv ergriffen werden und dies ist leider nicht der Regelfall. Als letztes Beispiel für veränderbare Ver- haltensweisen kann hier der Einsatz von Micropolitik genannt werden. Micropoli- tik beschreibt die Beeinflussung von Ent- scheidungsprozessen durch persönliche Beziehungen oder die gezielte Steuerung von (Fehl-)Informationen. In dem Maße, in dem sich minderbegabte Manager ent- weder durch solche Prozesse beeinflus- sen lassen oder selbst zur Quelle der Be- einflussung werden, fördert Micropolitik Fehlentscheidungen. Belastende Arbeitsumgebung Die Ursachen für Managerscheitern rei- chen weit über die Person der Betroffenen hinaus. Studien, die sich mit den Arbeits- bedingungen in hohen Managementpo- sitionen beschäftigen, zeichnen das Bild einer Umgebung, die Fehlentscheidungen nicht etwa verhindert, sondern sogar be- günstigt. Selbst wichtige Entscheidungen müssen oft unter Zeitdruck gefällt wer- den, wobei die Informationslage nicht selten unvollständig ist. Der Arbeitsalltag R Literatur. Uwe P. Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hoch- schule Osnabrück, hat in zwei Büchern die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Scheitern von Managern veröffentlicht – unter den Titeln „Managementfehler und Managerscheitern“ und „Warum scheitern Manager?“ (Springer, 2019 und 2020). Foto: Christian Protte

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