Wirtschaft und Weiterbildung 6/2021
aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 06_2021 Was machen immer noch viele, bevor sie in einen Videocall gehen? Nichts. Also manchmal haben sie gerade noch schnell ein sauberes Hemd oder eine saubere Bluse angezogen. Aber meistens sind sie untenrum gemütlich und oben ein bisschen schick. Da sitzen sie nun zuhause, auf ihrem Sessel oder Sofa, einen Kaffee in der Hand, manche kauen sogar noch, flauschige Hausschuhe an den Füßen, Jogginghose – im Sommer auch Shorts – und drü- cken auf den Link „Meeting starten“. Und plötzlich ist es ein richtiges Meeting. Sie müssen verhandeln. Es geht um Budgets, um Jobs und womöglich das Überleben der Firma. Sie beginnen zu schwitzen – und auf einmal fühlen sich Hausschuhe ziemlich deplatziert an. Videocalls lullen uns leicht in ein falsches Gefühl von Bequemlichkeit ein. Selbst wenn sich die Bügelfalten-Geschäftsmode nicht erst seit Corona deutlich gelockert hat, ist es durchaus sinnvoll, auch während einer Onlineveranstaltung unten zumindest einigermaßen ordentliche Hosen oder Röcke anzuziehen. Denn das Tragen von etwas offiziellerer Kleidung lässt uns am Bildschirm nicht nur kompetent und selbstbewusst wirken, sondern bewahrt uns auch vor möglicherweise peinlichen Situationen. Wenn wir zum Beispiel, ohne nach- zudenken, plötzlich aufstehen, um eine fehlende Unterlage zu holen ... Auch darum hat sich unsere Einstellung zu unserer Kleidung durch das Arbeiten im Homeoffice inner- halb des letzten Jahres gewandelt: Antonella Giannone, Professorin für Modesoziologie an der Weißensee-Kunsthochschule Berlin, hat beobach- tet, dass sich etwas tut. Weg von der Jogginghose hin zu insgesamt etwas repräsentablerer Kleidung. Einerseits, um uns in der häuslichen Umgebung wenigstens etwas unserer beruflichen Rolle anzu- nähern. Aber auch, um unsere körperliche Präsenz zu verstärken und zu kompensieren, dass wir „nur“ auf dem Monitor sichtbar sind. Wir tendieren dazu, die Bedeutung von Kleidung generell zu unterschätzen. Dabei ist es schon lange durch diverse Studien wissenschaftlich belegt, dass formellere Kleidung beim abstrakten Denken und bei der Konzentration hilft. Aber durch das Arbeiten zu Hause suchen wir unsere Kleidung nach ande- ren Kriterien aus – Ästhetik und Formalität spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Zudem bieten unsere (Sitz-)Möbel zuhause Spielraum für ganz andere Positionen und Bewegungen als die Möbel im Büro. So bevorzugen manche den Schneidersitz oder ziehen vielleicht auch mal ein Bein hoch. In einem Rock oder einer engen Hose geht das nicht. Deshalb greifen wir zuhause vermehrt zu bequemen Kleidungsstücken, gern auch mit elastischem Gum- mibund – was noch vor ein paar Jahren ausschließlich bei Kleidungsstücken für ältere Leute zu finden war – und nicht einmal im Secondhandshop genommen wurde. Übrigens haben Farben oft eine andere Wirkung am Monitor als in Präsenzver- anstaltungen. Da vielen keine gute Kamera zur Verfügung steht, wirken fast alle dunklen Farben wie Anthrazit, Blau, Grün oder Aubergine in Online- Settings schwarz. Wer sich abheben möchte, sollte daher eher auf etwas intensivere, leuchtende Farben setzen. Und Vorsicht mit jeder Art von Mustern auf Hemden, Blu- sen, Kleidern oder Jacken: Sie lassen das Bild flim- mern und führen zu Interferenzen. Spannend ist auf jeden Fall, was nach der Krise kommt. Hält dann die Homeoffice-Lässigkeit Einzug ins Büro oder sehnen sich alle wieder nach der alten „Normalität“? Gastkommentar Kleidung auch im Homeoffice wichtig Imme Vogelsang Diesen Gastkommentar verdanken wir der Trainerin Imme Vogelsang (www.iv-imagetraining.de) un d dem Zusammenschluss „ETI Etikette Trainer International“ mit Sitz in Hamburg. Dieses Netzwerk von internationalen Spezialisten steht für Aktualität, Kompetenz und Qualität in Sachen Etikette und Mode. Kleidung ist sehr wichtig, um unsere körperliche Präsenz zu verstärken. „ „
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