Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021
training und coaching 54 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 Nur wenn eine Teilnahmepflicht besteht und der Lernerfolg daher mit Blick auf den durch den Arbeitgeber zu erbrin- genden Nachweis für diesen von Be- deutung ist, ist es zudem zulässig, auch die Vorgesetzten über das Ergebnis des Tests (bestanden/nicht bestanden) zu in- formieren. Weitere Informationen, etwa wie viele Fragen richtig und falsch be- antwortet wurden, mit welcher Note der Test bestanden wurde und die Anzahl der erfolglosen Versuche, sind für die Teilnah- mepflicht in der Regel nicht von Bedeu- tung und dürfen daher vom Arbeitgeber auch nicht ausgewertet und nicht an die Vorgesetzten weitergegeben werden. Learning Analytics: Nur sehr eingeschränkt möglich Die Durchführung von Learning Ana- lytics mit personenbezogenen Daten im Arbeitsverhältnis scheitert – mit Aus- nahme der Einwilligung – bereits an dem Fehlen einer Rechtsgrundlage. Denn die hierdurch erlangen Informationen sind in der Regel nicht für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses oder zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich. Auch ein berechtigtes Inte- resse im Sinne des Artikel 6 Absatz 1 f) DSGVO dürfte hier regelmäßig nicht vor- liegen. Zudem stehen einer solchen Auswertung auch die Grundsätze der Transparenz, der Zweckbindung und der Datenminimie- rung entgegen. Denn durch den Grund- satz der Transparenz soll gewährleistet werden, dass die Betroffenen immer wissen (können), wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Bei Learning Analytics hingegen ist die Datenverarbeitung grundsätzlich intrans- parent. Selbst die zuständigen Datenana- lysten wissen oft nicht, auf welche Daten der Analyse-Algorithmus wann zugreift und welche Entscheidungsprozesse so- dann stattfinden. Die Betroffenen können somit – wenn überhaupt – nur wissen, dass alle sie betreffenden Daten aus der Lernplattform gespeichert und für viel- fältigste, unbekannte Zwecke verwendet werden. Dies widerspricht zugleich auch dem Grundsatz der Zweckbindung, nach dem die Erhebung der Daten und ihre nachfolgende Verwertung jeweils nur für einen Zweck erfolgen darf. Auch der Grundsatz der Datenminimierung, der fordert, dass technische Systeme zur Da- tenverarbeitung so zu gestalten sind, dass sie ihre Funktion mit möglichst wenigen personenbezogen Daten erfüllen können, widerspricht der Idee der Learning Ana- lytics, bei denen es gerade darum geht, so viele Daten wie möglich zu erfassen und auszuwerten. Wenn überhaupt, sind weitergehende Auswertungen damit nur im Wege der Anonymisierung, Pseudonymisierung oder Aggregierung zulässig. Machen Ar- beitgeber hiervon Gebrauch, ist indes stets kritisch zu hinterfragen, ob die Daten wirklich nicht auf den einzelnen Beschäftigten zurückverfolgbar sind. Be- stehen hier Unsicherheiten, sollte dies gegebenenfalls durch einen technischen Sachverständigen abgesichert werden. Denn viele Daten sind – auch wenn sie angeblich anonymisiert, pseudonymi- siert oder aggregiert wurden – weiterhin personenbezogen. Entscheidend hierfür ist nämlich nur, ob der Arbeitgeber den jeweiligen Beschäftigten aufgrund der vorhandenen Daten mit vertretbarem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft identifizieren kann. Was ist mit dem Anbieter zu vereinbaren? Regelmäßig muss mit dem Anbieter der Lernlattform ein Auftragsverarbeitungs- vertrag im Sinne des Artikel 28 DSGVO abgeschlossen werden. Artikel 28 Absatz 3 DSGVO verlangt insoweit grundlegende Festlegungen zu folgenden Punkten: • Gegenstand, • Dauer, • Art und Zweck der Verarbeitung, • Art der personenbezogenen Daten, • Kategorien betroffener Personen, • Pflichten und Rechte des Verantwortli- chen. Kommt der Anbieter der Lernplattform nicht aus der EU, sondern aus einem sogenannten Drittland, muss zudem ein angemessenes Datenschutzniveau si- chergestellt werden. Weiter sind bei der Nutzung auch die Anforderungen der Ar- tikel 24, 32 DSGVO einzuhalten. Danach müssen geeignete technische und orga- nisatorische Maßnahmen implementiert werden, um ein dem Risiko angemesse- nes Schutzniveau zu gewährleisten. Den Betriebsrat einbinden Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, sind neben den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen insbesondere auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung und Nutzung von Lernplattformen zu beachten. Dies be- trifft vor allem das zwingende Mitbestim- mungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 Be- triebsverfassungsgesetz (BetrVG). Denn Lernplattformen sind ihrer Eigenschaft nach technische Einrichtungen, die – wie vorstehend aufgezeigt – grundsätzlich dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu über- wachen. Damit kann ihre Einführung und Nutzung nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen. Darauf, ob Arbeit- geber die Plattformen im Einzelfall auch zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung ihrer Beschäftigten nutzen wollen, kommt es dabei nicht an. Allein die technische Möglichkeit reicht für das Mitbestimmungsrecht aus. Soll nach einem absolvierten E-Learning auch ein Abschlusstest oder eine Beur- teilung stattfinden, kommt auch ein Mit- bestimmungsrecht nach § 94 Absatz 2 BetrVG in Betracht. Denn danach bedarf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungs- grundsätze der Zustimmung des Betriebs- rats. Im Falle betrieblicher Bildungsmaß- nahmen gilt es zudem, § 98 Absatz 1 BetrVG im Blick zu halten. Schließlich ist auch das Mitbestimmungs- recht des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten, wenn durch das E-Learning bestimmte Verhaltensvor- gaben (zum Beispiel Ethikrichtlinien oder ein Verhaltenskodex) vermittelt werden sollen. Zusammenfassend lässt sich damit fest- halten, dass der Einsatz von Lernlattfor- men im Arbeitsverhältnis gut und wichtig ist. Arbeitgeber sind aber gut beraten, von Anfang an den Datenschutz im Blick zu halten, nur die Daten zu speichern, die für die Durchführung der Weiterbildung tat- sächlich erforderlich sind, klare Zugriffs- berechtigungen zu definieren und den Be- triebsrat frühzeitig mit ins Boot zu holen. Lisa-Marie Niklas R
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