Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021
wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 41 trien wird es zunehmend schwieriger, de- finitive Aussagen über Zukunftsentwick- lungen zu machen. Das bedeutet nicht, dass es sich nicht mehr lohnt zu planen. Pläne und Zielformulierungen sind von großer Bedeutung für den Erfolg. Gleich- zeitig sind wir überzeugt, dass jedoch ein ausreichendes Level an Flexibilität in Bezug auf die geplanten Ziele erforderlich ist: Flexibilität, um neue Informationen in den ursprünglichen Plan zu integrieren und die Ziele an die veränderten Markt bedingungen entsprechend anzupassen. Unsere Führungskräfte- und Team-Coa- chings zeigen, dass diese flexiblen Ziele zu mehr psychologischer Sicherheit füh- ren. Wenn Ziele breiter formuliert sind, haben diejenigen, die diese Ziele errei- chen sollen, auch mehr Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit. Sie haben mehr Autonomie darüber, was diese Ziele im Detail bedeuten sowie wann und wie diese Ziele erreicht werden. Adäquate bereichernde Ziele haben einen positiven Einfluss auf die psychologi- sche Sicherheit im Team und bilden das vierte Element unseres SAFE-Prinzips. Bereichernde Ziele in dem Sinn, dass adäquate Performance-Indikatoren ein- gesetzt werden, die zu der Mission des Teams passen. Oft werden beispielsweise für die Mission der Entwicklung neuer, innovativer Produkte die gleichen Perfor- mance-Indikatoren verwendet wie für die Entwicklung von Produkten, die bereits seit mehreren Jahren existieren. Viele der Befragten beschrieben, dass ungeachtet der Team-Mission stets die klassischen „Key Performance Indicators“ (KPIs) wie Umsatz und Gewinn genutzt werden. In diesem Zusammenhang bemängelten ei- nige, dass bei Projekten mit Lernmissio- nen der Erfolg „zu stark auf das Erreichen von finanziellen Zielen gerichtet ist“. Ins- besondere bei Projekten mit einer hohen strategischen Relevanz für das Unterneh- men, so erklärten einige Befragte, solle der Erfolg viel mehr anhand der wertvol- len gesammelten Informationen über den Markt und Kunden gemessen werden. Mit diesen Informationen können stra- tegische Fragen des Unternehmens be- antwortet werden. Eine Lehre daraus ist, dass bei Lernmissionen anstelle von fi- nanziellen KPIs wie Umsatz und Gewinn bereichernde Performance-Indikatoren wie Informationen über Kundengruppen, Nutzungszeiten, Präferenzen, Anwen- dungsbeispiele und Produkt-Features eines Produkts oder Services et cetera im Fokus stehen sollten. 4. Stellhebel: Flexibilität im Denken und Handeln Um SAFE-Ziele in Unternehmen zu ver- ankern, die sowohl bestehende Produkte haben als auch immer mehr neue Pro- dukte hervorbringen müssen, benötigt es Flexibilität im Denken und Handeln. Ein flexibles Mindset, um Ziele und Perfor- mance-Indikatoren je nach Team-Mission flexibel anzupassen, muss erlernt und trainiert werden. Führungskräfte müssen geschult werden, wie der situative Wech- sel von einer überwiegend finanzorien- tierten zu einer lernorientierten Steue- rungslogik gelingt. Flexibilität im Denken und Handeln ermöglicht bei Teams mit Lernmissionen, von Standardvorgehens- weisen und kurzfristigen Rentabilitätser- wartungen abzuweichen. Dieser flexible Umgang gelingt vor allem transformati- onalen Führungskräften. Denn „indivi- duelle“ Behandlung ist ein Kernelement des transformationalen Führungsstils. Studien wie jene von James Detert und Ethan Burris (2007) belegen einen posi- tiven Zusammenhang zwischen transfor- mationaler Führung und psychologischer Sicherheit. Des Weiteren sind Anknüpfungspunkte zu den anderen Elementen von transfor- mationaler Führung erkennbar: Beispiels- weise werden Mitarbeitende durch die Einbindung in die Festlegung einer ge- meinsamen Mission und adäquater Ziele intellektuell stimuliert und inspiriert. Auch wirkt das Vorleben von Transparenz und Wahrheit seitens der Führungskräfte inspirierend und identifizierend. 5. Stellhebel: Konkrete erste Schritte In unserer Forschung haben wir eine Viel- falt an Führungsmaßnahmen entwickelt, um psychologische Sicherheit im Team zu kultivieren. Als ersten Schritt gilt es eine Standortbestimmung durchzuführen – beispielsweise mittels einer Messung, die das Level an psychologischer Sicherheit und die Ausprägung von Führungsstellhe- beln erfasst. Die Erkenntnisse können an- schließend durch qualitative Fokusgrup- pen und Einzelgespräche erweitert und in den Kontext gebracht werden. Auf Basis dieser Datengrundlage können in Team- und Führungskräfte-Workshops Maßnah- men für mehr psychologische Sicherheit abgeleitet werden. Führungskräfte müssen lernen und vorangehen Wir befinden uns in Zeiten, in denen Ängste und Unsicherheiten größer wer- den und gleichzeitig die Wichtigkeit, ge- meinsam komplexe Herausforderungen zu lösen und Innovationen hervorzubrin- gen, zunimmt. Es ist an der Zeit, dass Un- ternehmen angstfreie Arbeitsumgebun- gen entwickeln – Arbeitsumgebungen, in denen Mitarbeitende sich trauen, Pro- bleme anzusprechen, Fehler zuzugeben und Neues auszuprobieren, auch wenn sie dabei einmal scheitern. Denn psycho- logische Sicherheit ist zentral für Höchst- leistung und Innovation in Unternehmen. Die Führung, welche die psychologische Sicherheit erhöht, muss erlernt und trai- niert werden. Wir sind überzeugt, dass Führungskräfte, die diese Chance ergrei- fen, die angestrebte Erfolgswahrschein- lichkeit der eigenen Teams und ihres Un- ternehmens erheblich erhöhen können. Wolfgang Jenewein, Anna-Christina Leisin, Maximilian Strecker Nachlesen. Forschungsliteratur zu psychologischer Sicherheit: · Edmondson, A. C. (2018): The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Work- place for Learning, Innovation, and Growth. · Duhigg, C. (2016): What Google Learned From Its Quest to Build the Perfect Team. In: The New York Times Magazine. · Detert, J.; Burris, E. (2007): Lea- dership Behavior and Employee Voice: Is The Door Really Open? · Dalio, R. (2017): Principles: Life and Work. · Jenewein, W.; Strecker, M.; Leisin, A.-C. (2021): Purpose: Raum für Sinn. In: Harvard Business Mana- ger Magazin. Literatur
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