Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021
R wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 33 Analysemodus und die wiederholenden Gedanken. Ergänzen wir dies um die ne- gativen Gedanken, die sich nun verstärkt wiederholen, landet man leicht in einem schwer kontrollierbaren Gedankenwirbel. Mehr Widerstandsfähigkeit Stress und Druck sind im menschlichen Alltag ganz normal. Doch mit Blick auf die Arbeitswelt, die geprägt ist von Leis- tungsdruck und Wachstumsorientierung, wächst der Stress manchmal über die Mitarbeitenden und Führungskräfte hi- naus. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft berichten 2020 ganze 70 Pro- zent der Mitarbeitenden und Führungs- kräfte von einem Empfinden von Stress und Druck und auch davon, dass dieses im vergangenen Jahr durch digitales Ar- beiten, Mangel an Kontakt mit den Kol- legen und Kolleginnen und Unsicher- heiten über die berufliche Sicherheit zugenommen hat. Stress drückt sich im Körper durch unterschiedliche Reaktio- nen aus, die gemeinhin als „Fight-, Flight or Freeze-Response“ (Kämpfen, Flüch- ten oder Erstarren) beschrieben werden. Hierbei antwortet das Nervensystem des Körpers auf den empfundenen Stress und passt, ohne dass wir das bewusst steuern, die Reaktionen an. Die Forschung bestätigt, dass Acht- samkeitspraktiken wie Atemübungen, Yoga und Meditation eine regulierende Wirkung auf das Nervensystem haben. Atemübungen beispielsweise helfen, das sympathische Nervensystem beruhigend anzusprechen und einen Ausgleich zwi- schen dem sympathischen und parasym- pathischen Nervensystem herzustellen. Übung: Zählend atmen Wenn man also nach einem anstrengen- den Meeting, in dem es zu Konfrontati- onen gekommen ist, spürt, wie das Herz schneller schlägt oder der Nacken sich verspannt hat, kann folgende Atemübung helfen: Dabei atmet man ein und zählt bis drei und wieder aus und zählt bis sechs. Diese Übung kann man beliebig oft wie- derholen, bis man merkt, wie sich der Körper langsam entspannt und auch der Kopf wieder ruhiger wird. Die Integration kurzer Atemübungen in den Alltag ist übrigens leichter als viele denken. Denn sobald unser Gehirn eine Übung als angenehm empfindet, stellt es eine positive Assoziation her. Durch Wiederholung entsteht so schnell ein au- tomatischer Wunsch nach dieser Übung und schon haben wir unser Verhalten ein wenig verändert. Diese Fähigkeit, neue Verhaltensmuster auszuprägen, ist der Neuroplastizität des Gehirns zu verdan- ken, welche uns das Bilden neuer neuro- naler Verbindungen im Hirn ermöglicht. Kollaborative Teams fördern Nun wird Teamarbeit, Kollaboration und gemeinsames Gestalten in der neuen und innovativen Arbeitswelt immer wichtiger. Auch bedingt durch die Digitalisierung, in welcher ständig neues Wissen kreiert wird, ist kollaboratives Arbeiten und ein guter Austausch im Team essenziell, um handlungsfähig zu bleiben. Gute Bezie- hungen, aktive Kommunikation und eine Transparenz im Team sind dabei unum- gänglich. Doch unter Stress und Druck fällt es uns nicht immer leicht, aufnahmefähig und beziehungsfähig zu bleiben. Im vergan- genen Jahr berichteten dennoch viele Menschen, dass sie im Homeoffice den informellen Austausch mit den Kollegen vermissten und bemängelten die hohe Sachorientierung digitaler Meetings. Führende Neurowissenschaftler bestäti- gen, dass konkrete Achtsamkeitsübun- gen zum Mitgefühl wie die sogenannte „Metta-Meditation“ unsere Fähigkeit zu Empathie gegenüber uns selbst und anderen beleben. Sie regen dabei Teile im Gehirn an, die beim Empfinden von Mitgefühl aktiv werden und fördern die Ausschüttung von Oxytocin – dem Bezie- hungshormon. Infolgedessen berichten Menschen, dass sie aufmerksamer im Ge- spräch zuhören sowie freundlicher und weniger kritisch gegenüber sich selbst und anderen sind. Übung: Achtsamer Check-In Diese Erkenntnisse können auch in die Arbeitswelt überführt und als Anregun- gen zur aktiven Entwicklung von digita- ler Empathie genutzt werden. Ein Weg im Team digitale Empathie zu üben, ist der achtsame Check-In. Dabei nimmt sich das ganze Team zu Beginn des Meetings, je nach Gruppengröße, fünf bis zehn Minuten Zeit. In dieser Zeit beantwortet jeder eine konkrete Frage, wie zum Bei- spiel: „Wie ist meine Wetterlage heute?“ – Antwort: „Meine Wetterlage ist sonnig, weil …“ Im Anschluss gibt der Sprecher oder die Sprecherin den „Talking Stick“ weiter. Das nächste Teammitglied teilt die empfundene Wetterlage mit. Der achtsame Check-In hat sich in der Praxis vielfach bewährt. Unternehmen, die diese Methode seit längerem anwen- den, berichten von einer verbesserten Kommunikation in Teams, von mehr Ver- ständnis der Kollegen füreinander und von einem erhöhten Fokus in Meetings. Innovation und Kreativität üben Ein „neues Normal“, wie es oft disku- tiert wird, kann nur über gemeinsames Denken und kreatives Handeln entste- hen. Wie dies nun aussehen wird und in welcher Form wir zukünftig arbeiten und leben werden, ist längst noch nicht fix. Was allerdings im vergangenen Jahr deutlich wurde, ist, dass der digitale Wan- del in vollem Gang ist und auch Unter- nehmen dazu bringt, ihre Angestellten in diesen Wandlungsprozess miteinzu- beziehen. Sie alle sind Teil davon und gleichzeitig ist ihre Innovationsfähigkeit Dr. Martina Weifenbach hat an der Univer- sität St. Gallen, am HIIG Berlin und der University of Berkeley zu digitaler Geschäftsmo- dellinnovation und Start-ups pro- moviert. Die Achtsamkeitsexpertin ist Geschäftsführerin von Myndway. Das Unternehmen bietet Trainings- programme für Unternehmen, die Achtsamkeit, Innovation und Neues Arbeiten in innovativen Lernkonzep- ten vereinen wollen. martina.weifenbach@myndway.com +49 151 46409895 AUTORIN
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