Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021

26 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 titelthema tun hat, denen es grundsätzlich schwer- fällt, mit anderen Menschen in Kon- takt zu gehen, dann wird es im Online- Caoching schwieriger. Und dann wäre ein hybrider Coaching- Prozess angemessen? Rauen: Es gibt Szenarien, wo es Sinn macht, sich erst ein paarmal persönlich getroffen zu haben. Das hängt stark am Einzelfall und man muss als Coach dann zusammen mit dem Klienten entschei- den, ob und wann Präsenztreffen einen zusätzlichen Vorteil bieten. Andererseits gibt es auch den „Beichtstuhleffekt“: Menschen öffnen sich schneller und be- richten mehr von sich, wenn einem der Coach nicht persönlich gegenübersitzt. Ich glaube, dass es an dieser Stelle auf eine zusätzliche Kompetenz der Coachs ankommt, dass sie relativ schnell fest- stellen, mit welchen Klienten man gute Online-Coachings machen kann und mit welchen nicht. Der Coach der Zukunft wird nicht nur individuell auf den Klien- ten eingehen, sondern auch individuell das richtige Medium für den Coaching- Prozess aussuchen. Welche Rolle spielt das Online-Coaching in Ihrer neuen Auflage des „Handbuch Coaching“? Rauen: Dr. Stella Kanatouri, Research Consultant bei Harris Interactive AG, hat für uns einen 31 Seiten umfassenden Bei- trag über „Digitales Coaching“ geschrie- ben. Da geht es von den Grundlagen bis zu den Coaching-Chatbots. Und es gibt in Vielleicht ist es noch zu früh für einen Rückblick auf die Coronakrise, aber gibt es aus Ihrer Sicht ein erstes Fazit? Christopher Rauen: Auf uns kommen hy- bride Zeiten zu. Möglicherweise wird es einen kurzfristigen Rückfall in alte Ver- haltensweisen geben und alle werden sich wieder persönlich begegnen wollen, aber grundsätzlich werden wir in Zukunft innerhalb eines Coaching-Prozesses Prä- senz- und Onlinetreffen kombinieren. Man macht zu Beginn ein persönliches Kennenlernen und dann jede zweite Sit- zung online, sodass es für beide Seiten leichter wird, Termine zu vereinbaren. Die positiven Erfahrungen, die mit On- line-Coaching gemacht wurden, wie Effi- zienzsteigerung oder Zeitersparnis, haben unsere Branche verändert. Das Virus war ein Innovationsbeschleuniger. Wie haben Sie als Business-Coach das Online-Coaching erlebt? Rauen: Ich kann aus meiner eigenen Er- fahrung heraus sagen, dass ich, wenn es um die emotionale Tiefe geht, beim virtuellen Coaching keinerlei Einschrän- kungen wahrnehme. Wenn ich jemanden vor der Kamera sitzen sehe, dann fehlen mir natürlich Sinneseindrücke, aber ich glaube, dass das Präsenz-Coaching in der Regel kein so großes Plus an Qualität bringt, dass ich auf das Online-Coaching verzichten und dafür zum Beispiel lange Reisezeiten in Kauf nehmen würde. An- dererseits gibt es auch Ausnahmen: Es gibt Klienten, da bringt das persönliche Treffen wichtige, hilfreiche Nebeneindrü- cke, die man im virtuellen Raum nicht hätte. Der Coach sollte in jedem Einzelfall abwägen. Wenn man es mit Klienten zu „ Auf uns kommen hybride Zeiten zu“ INTERVIEW. In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Business Coaching als Dienstleistung kontinuierlich weiterentwickelt. Das „Handbuch Coaching“ beschreibt den Stand der Professionalisierung. Christopher Rauen, der Herausgeber, berichtet, wie Corona aus seiner Sicht die Coaching-Branche beeinflusst hat. Foto: Lichtbildmanufaktur Dr. Christopher Rauen. Der Diplom- psychologe arbeitet seit 1996 als Busi- ness-Coach.

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