Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021

wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 23 Scharfzüngig analysiert Deutschlands Wirtschaftsführer versor- gen die Nation immer wieder mit Begrif- fen und Phrasen, von denen viele dann leider auch noch im allgemeinen Sprach- gebrauch ankommen: Man sagt heute nicht mehr „Ich versuche, das Problem zu lösen“, sondern: „Ich adressiere das Thema.“ Damit dann „zeitnah“ oder auch erst „am Ende der Tage“ alles „fein“ werden kann. Wie es zum Siegeszug dieses sonder- baren Jargons kam, erklärt Jens Berg- mann, stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins „Brand eins“. Einem einleitenden Essay folgen sechs Kapitel zu verschiedenen Formen des mo- dernen „Business Bullshit“ – von Impo- niervokabular (mehr sein als scheinen), über Beschwörungsformeln (die Firma als Glaubensgemeinschaft), den Euphe- mismen (vom Täuschen und Tarnen), dem Gutfirmensprech (wir retten die Welt) und dem Psychotalk (Arbeiten als Therapie) bis hin zu den Nullnachrichten (die Kunst, leeres Stroh zu dreschen). Das Buch vermittelt in der (aussichtslosen?) Auseinandersetzung mit dem Bullshit ganz nebenbei Kritikfähigkeit, eine solide ökonomische Bildung und viel Humor, um den Kampf gegen die Verunstaltung der Sprache erträglich zu machen. Mehr Denkzeit, bitte! Dieses Buch ist ein großer Spaß für alle, die mit jenen Berufstätigen leiden, die regelmäßig mit neuen „Key Performance Indicators“ gequält werden und deren Chefs nichts anderes können, als die Effi- zienzschraube anzuziehen und am Ende dann zu überdrehen. Licht am Ende des Optimierungstunnels wird es laut Autor erst geben, wenn die nächste Generation an Managern das Ruder übernommen haben wird – vorausgesetzt der Nach- wuchs lernt bei den Start-ups und den agilen Innovations-Inkubatoren. Trainer, die immer auf der Suche nach Sprüchen zur Auflockerung von Semi- naren sind, können aber auch sehr von diesem Buch profitieren. Der Autor war selbst Werbetexter bevor er Top-Verlags- manager wurde und fasst seine Botschaf- ten gerne mit Bonmots zusammen wie zum Beispiel: „Wäre Moses mit zehn Excelcharts vom Berg Sinai gekommen, wäre die Geschichte der Menschheit an- ders verlaufen.“ Oder: „Folgen dir die Menschen, dann folgen dir auch die Zahlen.“ Noch anspruchsvoller ist der Merksatz: „Wer das Sagen hat, darf nicht nichtssagend sein.“ Auch gut, um Prak- tikern Mut zu machen: „Wenn man das Gefühl hat, da stimmt etwas nicht, dann stimmt das meistens.“ Das Leben leben Zum Schluss möchten wir Ihnen aus- nahmsweise noch einen Roman empfeh- len, der im Frühjahr in der Bestsellerliste Belletristik des „Spiegels“ den Platz zehn erreichte und von ARD-Kritikerpapst Denis Scheck so beurteilt wurde: „Char- mant. Faszinierend. Intelligent. Ein per- fekter Unterhaltungsroman.“ Das Buch inspiriert erwachsene Leser auf subtile Art darüber nachzudenken, ob sie glücklicher wären, wenn sie einen anderen Partner geheiratet hätten, reicher wären, wenn sie einen anderen Beruf er- griffen hätten oder berühmter wären oder wenn sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hätten. Haig kommt dem Leser nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und gibt auch keine Ratschläge, wie man aus Fehlern lernen kann. Sein Roman zeigt: Die radi- kalsten Veränderungen geschehen nicht, wenn man reicher, erfolgreicher oder berühmter wird, sondern wenn man auf- hört, die Wünsche anderer Menschen zu erfüllen. Die Heldin des Romans erkennt, nicht die perfekte Tochter, Schwester, Ehefrau oder Managerin sein zu müssen. Sie will nur noch ein Mensch sein, der um seinen eigenen Lebenssinn kreist und für sich selbst verantwortlich ist. Das pas- sende Motto dazu heißt: Du musst das Leben nicht begreifen, sondern nur leben. Jens Bergmann: „Business Bullshit: Managerdeutsch in 100 Blasen und Phrasen“, Duden, Berlin 2021, 208 Seiten, 15,00 Euro Frank Dopheide: „Gott ist ein Kreativer – kein Controller“, Econ Verlag, Berlin 2021, 240 Seiten, 18 Euro Matt Haig: „Die Mitternachtsbibliothek“, Droemer Verlag, München 2021, 320 Seiten, 20 Euro

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