Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021
wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 21 Psychologische Grundlagen für Anfänger und Überzeugte Eine evidenzbasierte Personalarbeit ist es, was Professor Uwe Peter Kanning mit seinen Veröffentlichungen erreichen möchte. Intuition, Bauchgefühl und Menschenkenntnis sind Uwe Peter Kanning ein Dorn im Auge. In der Psycho- logie seien dies einfach Messfehler. Wer allein auf sein Bauchgefühl vertraue, um Personalentscheidungen – oder jegliche andere Entscheidung – zu treffen, begehe damit Fehler in systematischer Weise. Wissenschaftliche Evidenz sollte stattdessen Grundlage von professioneller Personal- arbeit sein – davon ist Kanning überzeugt. Die Personalpsy- chologie liefert dafür umfassende Forschungsergebnisse, die jedoch selten in der Praxis die Beachtung finden, die nötig wäre, um so manchen Mythos zu entlarven. Mit seinem Buch „Crashkurs Personalpsychologie“ unter- nimmt Kanning den nächsten Versuch, psychologisches Grundlagenwissen an HR-Praktiker zu vermitteln. Der Wirt- schaftspsychologe ist bekannt für seine markant-provo- kativen Äußerungen zu halbseidenen Erfolgsgurus, teuer erkauften Führungskräftebespaßungen und eignungsdia- gnostischen Testkatastrophen, wie er sie zum Beispiel in seinen spitzzüngigen Kolumnen auf haufe.de/personal formuliert. Auch in seinem vorliegenden Buch führt er in jedes Kapitel mit Mythen und Missständen des jeweiligen Themas ein. So sind es im Bereich Personalentwicklung ganze 13 häu- fige Fehler, die sich in die Personalarbeit einschleichen. Kostprobe: „In Maßnahmen zur Veränderung wird mehr diskutiert als am realen Verhalten der Betroffenen gearbei- tet.“ Oder: „Insbesondere bei der Entwicklung der Mana- ger wird mehr auf den Unterhaltungswert der Maßnahmen als auf ihre Wirksamkeit zur Veränderung von Fähigkeiten Evidenz. HR-Praktiker, die ohne Vorwissen alle relevanten Themen der Personalpsychologie kennenlernen möchten, sind die Zielgruppe dieses Buchs. Jedoch empfiehlt sich auch allen Personalern ein Blick hinein, wenn sie ihre Kollegen mit psycholo- gischen Fakten von unbelegten Überzeugungen abbringen wollen. und Fertigkeiten geachtet.“ Auch: „Es wird zu wenig auf die fachliche Qualifikation der Trainer und Coaches geachtet. Fälschlicherweise wird hier unterstellt, dass erfahrene, bekannte oder wirtschaftlich erfolgreiche Personen auch fachlich gut sein müssen.“ Allein beim Thema „Leistungs- beurteilung“ führt der Wirtschaftspsychologe noch mehr Kritikpunkte auf (ganze 17). Doch das Buch würde nicht „Crashkurs“ heißen, wenn Kan- ning nicht über all diese Missstände mit psychologischen Fakten aufklären würde, um das Grundlagenwissen der Leser zu erweitern und die Praxisarbeit zu verbessern. So führt er im Bereich „Personalentwicklung“ zunächst prinzi- piell wirksame Methoden der Weiterbildung auf – er erklärt ausführlich das „Behavioral Modeling“ und erläutert die positiven Effekte von Mentoring und (seriösem) Coaching. Danach gibt er den Lesern konkrete Hinweise an die Hand, mithilfe derer sie fragwürdige Methode erkennen. Jedes Kapitel endet mit knapp zusammengefassten Emp- fehlungen. So fordert Kanning zum Beispiel beim Thema „Führung“ dazu auf, sich von der Überzeugung zu ver- abschieden, dass Männer und Frauen unterschiedlich führten. Stattdessen rät er, jedes Individuum mit seinen Kompetenzen und seiner Veränderungsbereitschaft zu betrachten. Zum Thema „Motivation“ empfiehlt er: „Ignorie- ren Sie die Bedürfnispyramide von Maslow.“ Die fehlende Wissenschaftlichkeit dieser Theorie hat er im Kapitel dazu ausführlich erläutert. Das Buch endet mit einer Checkliste, die grundlegende Vor- gehensweisen in allen dargelegten Themenbereichen ent- hält – der Leser kann sie mit „nein“, „zum Teil“, „ja“ abha- ken – in der besten Hoffnung, dass sich nach dem Lesen des Buchs die Häkchen bei den evidenzbasierten Aussagen wiederfinden. Uwe Peter Kanning: „Crashkurs Personalpsy- chologie“, Haufe-Lexware GmbH, Freiburg 2021, 204 Seiten, 29,95 Euro Uwe Peter Kanning. Der Professor für Wirtschafts- psychologie an der Hochschule Osnabrück setzt sich für mehr evidenzbasierte Personalarbeit ein.
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