Wirtschaft und Weiterbildung 7_8/2021

aktuell 10 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2021 Inhaltlich stand die „Kien- baum People Convention“ ganz im Zeichen der Pande- mie. „Die Krise hat vieles, was wir bereits in Planung hatten, beschleunigt“, sagte Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn. Neue Formen des Recruitings oder der Quali- fizierung seien innerhalb weni- ger Wochen möglich geworden und würden auch nach Ende der Pandemie Teil der neuen Arbeitswelt bleiben. Insbesondere die Themen Re- Skilling und Up-Skilling zogen sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Redebei- träge. Der Schlüssel für nach- haltigen Erfolg liege darin, dass Mitarbeitende jetzt Resilienz und Relevanz entwickelten, Walter Jochmann, Managing Director und Part- ner bei Kienbaum, stellte bei der Eröffnung der diesjährigen „Kienbaum People Convention“ die Frage, wie die HR-Funktion künftig ausse- hen werde. HR stehe jetzt an einem Scheide- weg. Die Optionen seien Bedeutungslosigkeit, Expertenfunktion oder Mitgestalter. Letzteres, so Jochmann, müsse der Anspruch von HR sein. Gegenwärtig sei HR jedoch weit vom „Tatort“ entfernt und nicht in der Lage, die Rolle des Gestalters einzunehmen. Der Grund dafür läge unter anderem in veralteten Orga- nisationsmodellen. Optimistisch stimme, dass immerhin rund die Hälfte der HR-Organisati- onen aus den klassischen Modellen heraus- wolle – ab in Richtung Ambidextrie und Agi- lität. Jochmann forderte: „HR muss sich vom Expertentum lösen!“ HR solle sich zu einer People Company, einem Unternehmen im Un- ternehmen, entwickeln. Dafür brauche es aber ein Geschäftsmodell. KIENBAUM PEOPLE CONVENTION II KIENBAUM PEOPLE CONVENTION I In der Krise steile Lernkurve gesehen Jochmann: HR sollte Gestalter sein Frithjof Bergmann, der Be- gründer der „New-Work“- Bewegung, starb am 24. Mai 2021 im Alter von 90 Jahren in Ann Arbor, Michigan (USA). Bergmann, ein österreichisch- amerikanischer Philosoph und Anthropologe hat schon vor rund 40 Jahren das heute sehr moderne Konzept der „Neuen Arbeit“ entwickelt. Eine erstrebenswerte Arbeits- welt sollte seiner Meinung nach so aussehen: Die Beschäf- tigten gehen zum einen einer notwendigen Lohnarbeit nach und zum anderen bekommen sie Arbeitszeit bezahlt, in der sie eigene Projekte entwickeln können. Die Arbeitszeiten, in denen Menschen nach ihren Neigungen und Fähigkeiten eigene Projekte entwickeln, VATER DES „NEW WORK“-KONZEPTS Frithjof Bergmann im Alter von 90 Jahren gestorben nannte er „Callings“. Im Ideal- fall sollten die Menschen selbst erkennen, was sie wirklich ar- beiten wollten und sich zu Koo- perativen zusammenschließen, in denen sie sinnvolle Produkte herstellen. Die Suche nach der eigenen Lieblingstätigkeit sollte laut Bergmann immer in Rich- tung Selbstversorgung gehen – am besten mit Lebensmitteln und Technologie. Letztlich aber war sein Ziel immer, Lohnar- beit irgendwann komplett ab- zuschaffen. Seine Ideen fasste Bergmann im Jahr 2004 in dem Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ zusam- men. Ab den 2010er Jahren fie- len seine Ansätze hierzulande auf fruchtbaren Boden, aller- dings mit einer von Bergmann nicht beabsichtigten Wendung: kommentierte diese Über- nahme seiner Theorie in den vergangenen Jahren immer wieder mit einem kritischen Augenzwinkern. „Lohnarbeit im Minirock“ urteilte er, freute sich jedoch auch, dass seine Ideen auf diese Weise weitere Verbreitung fanden. Frithjof Bergmann. Der Philosoph war auf der Suche nach einem 3. Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Im Zuge des Fachkräftemangels erkannten viele Unternehmen, dass mehr Möglichkeiten zur Selbstentfaltung sie für Talente attraktiver macht. Sie wandel- ten New Work von einem Akt der persönlichen Entwicklung zum Organisations- und Kul- turkonzept. Bergmann selbst sagte Judith Wiese, Personal- vorständin von Siemens. Vo- raussetzung dafür seien eine sinnvolle Arbeit und integrative Lernangebote. Sylvie Nicol, Personalvorstän- din von Henkel, betonte: „Die Krise hat Akzeptanz für die Automatisierung und Digitali- sierung geschaffen.“ Ähnliche Erfahrungen machte auch der große Autokonzern Volkswa- gen. „Während der Pandemie haben wir die steilste Lern- kurve hingelegt, die ich bislang erlebt habe“, sagte Personal- vorstand Gunnar Kilian. Die Veränderung der Wissensar- beit werde aber nur gelingen, wenn die Betriebsräte digitale Zugangskanäle zu den Beschäf- tigten öffneten.

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