Wirtschaft und Weiterbildung 11/2021
wirtschaft + weiterbildung 10_2021 39 danken werden dabei durch unsere Er- fahrungen, unsere Werte, Bedürfnisse und Glaubenssätze beeinflusst. Daher ist es im Coaching immer wichtig zu klä- ren, woher denn das Gefühl kommt. Ist ein persönlich wichtiger Wert verletzt? Wurde ein Bedürfnis wie zum Beispiel Zugehörigkeit oder die Sichtbarkeit im Team nicht erfüllt? Oder gibt es einen Glaubenssatz („Du musst immer perfekt sein“), der bei Nichterfüllung ein schlech- tes Gefühl auslöst. Der Coach sollte das Ziel haben, seinen Klienten aus der Gefühlsspirale heraus- zuführen und die Denkfallen zu identi- fizieren und zu korrigieren. Dabei erlebe ich es als wichtig, dass der Klient sich zu- erst körperlich von seinem Gefühl trennt. Anstelle „Ich bin wütend“ sagt er dann, dass er ein wütendes Gefühl habe. Dieses Gefühl ist jetzt da und es wird auch wie- der vergehen. Der Klient lernt: Ich kann ein Gefühl auch regulieren. Zudem sollte der Klient gefragt werden, woher der Ge- danke kommt, der das Gefühl bestimmt. Ist der Gedanke wahr? Wer sagt, dass der Gedanke wahr ist? Und wie wäre es ohne diesen Gedanken? Welcher neue Gedanke hätte dann Raum? Empfehlung IV: Das wirkliche Gefühl hinter dem Verhalten erfassen Ein Fehler ist es, wenn der Klient sein Gefühl „wegmanagen“ will, indem er es nicht benennt, sondern es ignoriert und sich mit etwas anderem beschäftigt. Er lenkt sich vom Gefühl ab und verschiebt das eigentliche Problem, weil er seine Ge- fühle nicht akzeptieren und aussprechen will. Um an die wirklichen Gefühle her- anzukommen, hilft das Bild einer Zwie- bel mit ihren unterschiedlichen Haut- schichten. Wenn wir eine Gefühlsschicht abziehen, dann merken wir, dass wir immer zum Mobilphone greifen, wenn wir eigentlich etwas Wichtiges machen sollten. Möglicherweise sollten wir eine Präsentation vorbereiten oder ein Kon- fliktgespräch führen. Wenn wir noch eine Schicht tiefer gehen, merken wir, dass wir traurig sind, weil wir erkennen, dass wir alle unsere Präsentationen immer aufge- schoben haben, weil wir Angst hatten, dass die Arbeit nicht gut genug werden wird und wir es niemals schaffen werden. Empfehlung V: Authentisch und mutig Gefühle kommunizieren Seine Gefühle und seine Verletzlichkeit zu zeigen, erfordert Mut. Niemand er- zählt gerne, dass er am Abend TV-Serien konsumiert hat, anstatt noch schnell den Chef anzurufen, um ein wichtiges An- liegen anzusprechen. Dieser Mut macht den Klienten jedoch stark und zeigt ihm, dass er mit seinen Emotionen gut umge- hen kann, anstatt ihnen auszuweichen. Wenn der Klient eine vertrauensvolle Per- son hat, mit der er über Gefühle reden kann, soll er es direkt in den nächsten drei Tagen nach der entsprechenden Coa- ching-Sitzung ausprobieren. Man kann vielen Klienten nur empfeh- len, sich den Pixar-Spielfilm „Inside Out“ (auf Deutsch: „Alles steht Kopf“) aus dem Jahr 2015 anzuschauen. In diesem Ani- mationsfilm geht es um das Gefühlsleben eines elfjährigen Mädchens. Sie muss mit ihren Eltern in eine fremde Stadt umzie- hen. Ihre fünf wichtigsten Emotionen werden durch je eine Cartoon-Figur dar- gestellt. Zusammen sitzen sie an einem Gefühlsmischpult. „Freude“ hat eine Art Chefrolle inne und liefert sich mit „Kum- mer“ ein Duell um die Vorherrschaft. Die Botschaft des Films ist, dass alle Emotio- nen einen tieferen Sinn haben und zum Leben gebraucht werden. Peter Kraushaar R Animationsfilm. Wut, Ekel, Freude, Angst und Kummer (von links) stehen an einem Schalt- pult im Gehirn. Foto: Pixar
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