Wirtschaft und Weiterbildung 11/2021
personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 10_2021 rung, die nicht nur regeln unter welchen Voraussetzungen und in welchem Um- fang ein Arbeiten im Homeoffice möglich ist, sondern auch wie in solchen „Kon- fliktsituationen“ zu verfahren ist. Diese Richtlinien sollten zwar einen möglichst großen Spielraum zur individuellen Aus- gestaltung bieten, jedoch zugleich einen Rahmen vorgeben, inwieweit zum Bei- spiel in der Einarbeitungszeit ein Arbei- ten im Homeoffice möglich ist – ähnlich wie dies seit Jahren zum Beispiel bei den Arbeitszeiten der Fall ist. Denn existiert ein solcher definierter Rah- men nicht, lässt das Unternehmen seine Führungskräfte speziell auf der operati- ven Ebene sprichwörtlich im Regen ste- hen. Zudem erhöht sich das Konfliktpo- tenzial in der Beziehung Führungskraft- Mitarbeiter, denn angenommen eine Führungskraft sagt zu den Wünschen eines Mitarbeiters aufgrund einer betrieb- lichen Notwendigkeit „nein“. Dann kann dieser Interessenkonflikt nicht immer einvernehmlich gelöst werden, und das „Nein“ der Führungskraft wird von dem Mitarbeiter, wie die Praxis zeigt, nicht selten als Ausdruck eines autoritären Ver- haltens interpretiert beziehungsweise als Beleg dafür, dass die Beziehung zwischen ihm und der Führungskraft nicht stimmt. Zuweilen wird sogar ein Mobbingvorwurf laut. Dass ein solcher Orientierungsrahmen oft noch nicht existiert, liegt daran, dass das Thema „hybrid arbeiten“ für die meisten Unternehmen noch recht neu ist. Dies ist jedoch auch ein Indiz dafür, dass viele obere Führungskräfte unterschätzen, wie viel Konfliktpotenzial das Arbeiten in hy- briden Teams in sich birgt und welche Risiken damit verbunden sind. Die zen- trale Ursache hierfür ist: Für die meisten Topmanager von Großunternehmen mit mehreren Standorten eventuell gar in verschiedenen Ländern ist das Arbeiten in hybriden beziehungsweise virtuellen Teams geübte Praxis. Ihre Treffen bezie- hungsweise Meetings mit ihren Kollegen im In- und Ausland fanden auch schon vor Corona weitgehend virtuell statt und dabei sammelten sie die Erfahrung: Diese Form der Zusammenarbeit funktioniert. Also gehen nicht wenige unbewusst davon aus: Dies funktioniert auch prob- lemlos auf den uns nachgeordneten Ebe- nen. Dabei sind dort die Arbeitsinhalte und Rahmenbedingungen für die Zusam- menarbeit ganz andere. Topteams sind keine Arbeitsteams Wenn sich das Topteam eines Unterneh- mens virtuell trifft und dabei ein Mitglied in München, ein anderes in Hamburg und ein weiteres in London, New York oder Shanghai sitzt, dann geht es in der Regel primär darum, sich im Kollegenkreis über die strategische Marschrichtung abzu- stimmen und gewisse Grundsatzentschei- dungen zu treffen. Deren Umsetzung, die eine engere Zusammenarbeit im Alltag erfordert, findet aber auf den nachgeord- neten Ebenen beziehungsweise an den einzelnen Standorten statt. Das Topteam nimmt in der Organisation also primär eine Steuerungs- und Koordinierungs- funktion wahr, es ist aber nicht in den ei- gentlichen Leistungserbringungsprozess involviert. Deshalb ist auf der Topebene vieles möglich, was auf der operativen In der letzten Zeit werden Forderungen laut wie: Jeder Mitarbeiter soll selbst ent- scheiden, wo er wann arbeiten möchte – zumindest sofern er nicht in einem Be- reich arbeitet, in dem eine Präsenz unab- dingbar ist. Dies ist in der Praxis in vielen Unternehmen nur bedingt möglich, denn heute werden ihre Kernleistungen meist in bereichsübergreifender Teamarbeit er- bracht. Also gilt es die Präsenzzeiten zu koordinieren. Rahmenrichtlinien sollten für Klarheit sorgen Dies gestaltet sich im Betriebsalltag oft schwierig, weil die Mitarbeiterwünsche bezüglich ihrer Arbeitsgestaltung so ver- schieden sind. Nicht selten vernimmt man denn auch im Gespräch mit Füh- rungskräften seit Auslaufen der Home- office-Pflicht Klagen wie: „Zuweilen komme ich mir wie der Pflegedienstleiter eines Krankenhauses vor, der geradezu darum betteln muss, dass seine Mitar- beiter kommen, damit der Betrieb läuft.“ Dies gilt insbesondere dann, wenn un- geplant die Präsenz eines Mitarbeiters, der zur betreffenden Zeit eigentlich im Homeoffice arbeiten wollte, im Betrieb erforderlich ist. Dann kämpfen Führungs- kräfte nicht selten mit Widerständen, weil dieses Ansinnen mit den Plänen des Mit- arbeiters kollidiert – zum Beispiel, weil er oder sie zuhause auch Kinder betreuen muss. Oder am Vormittag noch einen Arzttermin hat oder am Nachmittag zu einem Geburtstag eingeladen ist. Entsprechend wichtig sind beim hybriden Arbeiten Rahmenrichtlinien, zum Bei- spiel in der Form einer Betriebsvereinba- Herausforderung „hybride Teams führen“ HIERARCHIE. Beim Führen hybrider Teams kämpfen die Führungskräfte auf der operativen Ebene mit vielen Schwierigkeiten - ganz gleich ob es sich um Produktionsbetriebe oder Dienstleistungsunternehmen handelt. Leider unterschätzt das Topmanagement häufig diese Führungsleistung des Mittelmanagements und lässt es im Stich.
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