Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021

fachliteratur 52 wirtschaft + weiterbildung 05_2021 Viele wollen mit Vorständen auf Augenhöhe spre- chen. Zur Vorbereitung sollten sie dieses Buch lesen, denn hochkarätige Entscheider haben in der Regel besondere Eigenschaften, die man beachten sollte: Sie sind nicht nur mutiger und konsequenter – am Beispiel Richenhagen kann man sehen, dass sie ein- fach alles mit mehr Wumms machen. Martin Richenhagen stammt aus einer Lehrerfamilie und war bis zum 33. Lebensjahr selbst Studienrat für Französisch und katholische Religion. Dann wech- selte er zu einem kleinen Stahlwerk, studierte ne- benberuflich Betriebswirtschaftslehre und war nach sechs Jahren Geschäftsführer dieses Stahlwerks. Der Hintergrund dazu: Richenhagens Onkel besaß ein Pferd und der junge Martin entpuppte sich als ta- lentierter Reiter. Während seines Studiums in Bonn gründete er den Akademischen Reiterclub (ARC) und veranstaltete Hochschulmeisterschaften. Über das Reiten kam er in Kontakt zu besagtem Stahlwerks- besitzer, der das offenbar begnadete Organisationsta- lent in die Wirtschaft lockte ... Nach zehn Jahren war für Richenhagen Feierabend im Stahlwerk, wohl weil er sich Kritik an den Eigen- tümern nicht verkneifen konnte. Sein Weg führte ihn in neue Toppositionen, zum Beispiel beim Auf- zugspezialisten Schindler und beim Landmaschi- nenhersteller Claas. Schließlich wurde er im Jahr 2004 zum CEO der AGCO Corporation in Atlanta er- nannt. Dieser Konzern stellt Traktoren und Mähdre- scher (Fendt, Massey Ferguson) her und legt unter Richenhagens Führung 16 Jahre lang kontinuierlich an Umsatz und Gewinn zu. Der mehrfache Wechsel der Arbeitgeber dürfte der Grund dafür sein, dass Richenhagen sich zu einem bemerkenswerten Fir- menlenker entwickelte. Überall lernte er etwas Neues kennen und konnte Neues umsetzen. Er war extrem neugierig und traute sich, unbequeme Fragen zu stel- len, die einem selbst als Quereinsteiger leicht übel genommen werden. Aufgrund seiner breiten Businesserfahrungen war Richenhagen letztlich sehr gut darin, „Weichen zu stellen“. Wer ihn unterstützte, wurde fürstlich be- lohnt. Ganze Abteilungen, die Widerstand leisteten, wurden radikal umorganisiert. Der Dressurreiter war kein Einzelkämpfer. Er vertrieb zum Beispiel die Obrigkeitsgläubigkeit seiner US-Manager, indem er auf Meetings bewusst schwachsinnige Ideen vor- trug. Wenn keiner dagegenhielt, warnte er streng, dass durch Duckmäuserei die ganze Firma gefährdet werde. Eine neue Strategie für AGCO und die Pläne für die Strategieumsetzung entwickelte er „lehrbuch- mäßig“ mit einem divers besetzen Team. Das Buch ist in erster Linie eine Autobiografie, aber die unternehmerischen Botschaften kommen nicht zu kurz: An der Spitze sollte man nicht nur Modera- tor sein, sondern auch Transformator. Martin Richenhagen, 1952 in Köln geboren, ist ein deutsch-amerikanischer Manager (der Donald Trump scharf kritisierte). Von 2004 bis 2020 war er CEO der US-amerikanischen AGCO Cor- poration, dem weltweit drittgrößten Landmaschinenher- steller. Richenhagen war bislang der einzige deutsche CEO eines US-Fortune-500-Unternehmens. AUTOR Habe Mut, Weichen zu stellen! ERFOLGSTIPP VOM „GERMAN TRACTOR GUY“ Martin Richenhagen Der Amerika-Flüsterer. Mein Weg vom deutschen Religionslehrer zum US-Topmanager, Edel Books, Hamburg 2021, 260 Seiten, 24,99 Euro

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