Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021

training und coaching 50 wirtschaft + weiterbildung 05_2021 munikationsstile und Kommunikations- modelle ist. Gleichzeitig ist zu vermuten, dass Projektleiter und Projektmanager (bezogen auf die Komplexität in Projek- ten und die Kompliziertheit von Bezie- hungen) ein viel zu geringes Spektrum an Verhaltensalternativen kennen. Wenn man sie fragt, sind ihnen Kommunikati- onskonzepte wie die Transaktionsanalyse (Berne) oder die „vier Ohren“ (Schultz v. Thun) bekannt. Manchmal haben sie auch etwas von „gewaltfreier Kommuni- kation“ (Rosenberg) gehört. Oft gänzlich unbekannt ist das für Problemlösungssi- tuationen hilfreiche Konzept der „dialo- gischen Kommunikation“ (Hartkemeyer und Isaaks), das gut mit der Problemlö- sungsmethode „Dynamic Facilitation“ (Rough) verknüpfbar ist. 7. Führungsbereitschaft und Führungskompetenz Projektmanager zeigen häufig durch ihr Jammern über „schwierige Personen“ in ihren Teams ein überholtes Verständnis von Führung: Sie würden gerne „beste Fachkraft“ bleiben und fühlen sich mit der Führungsposition eher überfordert. Dies ist insbesondere auch beim Thema Motivation sichtbar. Oft sagen sie: „Ich bin doch kein Therapeut.“ Oder: „Das ist ja wie im Kindergarten.“ Gerade in Vuca- Zeiten gibt es aber die klare Erwartung, dass in einem Projekt eine möglichst offene „Beziehungsgestaltung“ vorge- nommen wird, um die vielfältigen Kom- petenzen und Potenziale im Sinne einer guten Problemlösung nutzen zu können. Da könnte einerseits das Verständnis in- dividueller Stärken und Potenziale und andererseits ein systemisches Verständnis vom Zusammenspiel von Menschen in einer Organisation helfen: Menschliches Verhalten ist situations- und kontextab- hängig und gibt immer das wieder, was für den jeweiligen Menschen in einer be- stimmten Situation möglich ist. Insofern muss man weder bewusstes Fehlverhal- ten noch eine „schlechte Charaktereigen- schaft“ unterstellen, sondern man kann ungünstiges Verhalten einfach stoppen. 8. Rahmenbedingungen Wenn man wie im agilen Kontext üblich davon ausgeht, dass Führung für die Ge- staltung der Rahmenbedingungen zustän- dig ist, dann sollte man sich klarmachen, wie wichtig ein Check der jeweiligen Rahmenbedingungen für Spitzenleistun- gen im Projektteam ist. Klarmachen sollte man sich auch, wie bedeutsam die Ein- schätzung der eigenen Stärke, des Muts, des Durchhaltevermögens, der Kreativi- tät auf verschiedenen kulturellen oder organisationalen Ebenen ist, um so die eigenen Handlungsspielräume realistisch einzuschätzen und bis an die Grenze zu nutzen. 9. Selbstorganisation Eng mit Obigem verknüpft ist die Frage des „Reifegrads“ von Selbstorganisation: Allen Teammitgliedern – auch dem „An- führer“ – sollte bewusst sein, dass und wohin sich ihre Arbeitsorganisation ver- ändert beziehungsweise verändern muss und wie sich darin ihre Rollen und Aufga- ben verändern. Sie arbeiten als „Vollzeit- Projektteam“ mit ihren jeweiligen Kom- petenzen und sind für die selbstständige Abwicklung des Projekts verantwortlich. Dies beinhaltet ... • die Klärung dessen, was alle Beteiligten (inklusive der übergeordneten Chefs beziehungsweise der Auftraggeber) unter Selbstorganisation verstehen, • wieweit die Verantwortung reicht (im Hinblick auf die Schätzung der Bear- beitungszeiten oder in Bezug auf das Fällen von Entscheidungen), was eng mit einer sauberen Rollenklärung ver- knüpft sein sollte, • wieviel Schutz und welche Art von Rahmenbedingungen definiert werden müssen, um eine wirkliche Selbstorga- nisation zu erreichen. Profis empfehlen dafür die Nutzung eines „Reifegradmodells“ in Verbindung mit einem Bereitschafts-Check. Außerdem ist es hilfreich, einzelne Teammitglieder konzeptionell „mitzunehmen“ und ent- sprechend fortzubilden (Entwicklung von „Promotoren“) und sich gleichzeitig bei allen Aktionen bewusst darüber sein, dass man als Vorbild wirkt – insbeson- dere bezüglich der Klarheit der Worte und der Eindeutigkeit des Verhaltens sowie bezüglich der Kongruenz zwischen Worten und Verhalten. Gibt es hier öfter deutliche Abweichungen schadet dies dem Vertrauen. Die Selbstorganisation sollte weder missverstanden werden als eine Möglichkeit, alles „Unangenehme“ an die Teammitglieder zu delegieren noch als „Wunderdroge“ für ein dezentrales Funktionieren einer Organisation. 10. Konkurrenzdenken Der „Feind“ jeder fruchtbaren Zusam- menarbeit in einem Team ist die „indivi- duelle Konkurrenz“. Sie lässt sich nicht einfach durch die Nennung des Stich- worts „agil“ vertreiben. Projektprofis wer- den sich künftig intensiver damit beschäf- tigen müssen, wie man eine gut funkti- onierende Zusammenarbeit (zwischen Spezialisten verschiedener Professionen, zwischen Repräsentanten verschiedener Abteilungen, zwischen zwei oder drei Al- phamännchen) so entwickelt, dass auch in hierarchischen Organisationen pas- sende Netzwerke gebildet werden und eine fruchtbare Zusammenarbeit über be- stehende Grenzen hinweg entsteht. Diese zehn Thesen zeigen, dass das Po- tenzial des agilen Ansatzes längst nicht voll ausgereizt wird und dass es höchste Zeit ist, Führung im agilen Kontext neu zu denken und auf unterschiedliche Rol- lenträger verteilt wirkungsvoller zu ma- chen. Es geht schließlich darum, Change- Projekte auch mithilfe zukunftsweisender Führungskonzepte noch agiler und pro- duktiver zu gestalten. Dr. Klaus Wagenhals R Dr. Klaus Wagenhals ist Dipl.-Soziologe und Dipl.-Psycho- loge und arbeitet seit 1998 als Change-Begleiter und Coach. 2007 gründete er zusammen mit Kollegen das Beraternetzwerk „Metisleadership“. Er engagiert sich ehrenamtlich zum Beispiel in der GPM (Assessor für den PM-Award und Mit- glied der Regionalleitung der GPM in Karlsruhe). Metisleadership Theresienstr. 76, 76835 Rhodt u.R. Tel. 06323 988436 www.metisleadership.com AUTOR

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