Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021
wirtschaft + weiterbildung 05_2021 39 „Selbstreflexion ist auf Platz eins“ Auf wieviel Milliarden Euro schätzen Sie das Volumen des Coaching-Markts in Deutschland? Jörg Middendorf: Niemand kann das Marktvolumen seriös beziffern, weil keiner weiß, wie viele Coachs es in Deutsch- land gibt. Was ich aber auf der Basis unserer Coaching- Umfrage 2021 sagen kann: Wir hatten im Jahr 2019 einen Rückgang der Coaching-Honorare gemessen. Dieser Rück- gang von rund neun Prozent wurde im Jahr 2020 wieder vollständig durch ein Wachstum der Honorare ausgebügelt, sodass man vermuten kann, dass es mit der Nachfrage nach Coaching aktuell gut läuft.. Wie breit und repräsentativ erfasst Ihre Coaching- Umfrage den Markt? Middendorf: Wir rufen über die Coaching-Verbände, die Fachpresse und die Sozialen Medien Deutschlands Coachs einmal im Jahr dazu auf, online unseren Fragebogen auszu- füllen. DiesemWunsch kommen jedes Mal rund 400 selbst- ständige Coachs nach. Für die aktuelle Umfrage konnten wir sogar 487 Fragebögen auswerten. Die jährlichen Umfra- geergebnisse weisen eine Konsistenz und eine innere Logik aus. Solch eine Auswertung über die Zeit ist derzeit die ein- zige Möglichkeit, einer gewissen Repräsentativität nahe zu kommen. Immerhin sind bei unserer Umfrage seit Jahren Antworten von Coachs dabei, die die gesamte Breite der Honorare repräsentieren. Und Sie sind sicher, dass es in 2020 nicht doch Einbrü- che im Coaching-Markt gab? Middendorf: Coaching lief im Krisenjahr 2020 und im ers- ten Quartal 2021 ohne nennenswerte Einbrüche. Das liegt unter anderem daran, das Coaching relativ einfach in ein vollkommen digitales Format umgewandelt werden konnte. Die Kontaktaufnahme, das Kennenlerngespräch und die Interview. Der Business-Coach Jörg Middendorf führt jährlich eine Umfrage unter Deutschlands Coachs über deren Situation durch. Mit ihm sprachen wir über die Ergebnisse der aktuellen Umfrage, die Anfang 2021 abgeschlossen wurde. anschließenden Coaching-Stunden laufen sehr oft – zur Überraschung vieler - problemlos komplett virtuell ab. Die Plattformökonomie hat auch die Coaching-Branche erreicht. Hätten da die Honorare nicht sinken müssen? Middendorf: Die „Digitalen Coaching Provider“ machen noch zu wenig Umsatz, um mit ihren zum Teil niedrigen Honoraren einen Preissturz auszulösen. Und: Es gibt auch Provider, die nicht in das übliche Honorar der Coachs ein- greifen, sondern lediglich on top ihre Provision aufschlagen. Wie erklären Sie jemandem, wie ein Coach arbeitet? Middendorf: Im Coaching geht es nicht darum, dass der Klient neue Kommunikations- oder Führungstricks lernt. Es geht darum, dass er mit seinem Coach reflektiert, welche Art von Führungskraft er sein will. Selbstreflexion steht auf Platz eins der von uns abgefragten Coaching-Themen. Interview: Martin Pichler Jörg Middendorf. Der DVCT-Senior-Coach wurde mit dem Buch „Lösungsorientiertes Coaching“ bekannt. kompetenzentwicklung, Konflikte und Beziehungsthemen, konkrete berufliche Problemsituationen, Organisationsverän- derung und Change Management sowie Teamentwicklung und Teamthemen. Besonders hohe Stundensätze gehen ak- tuell mit den Topthemen „Führungskom- petenzentwicklung“ (181,28 Euro), „Or- ganisationsveränderungen und Change Management“ (179,84 Euro), „Teament- wicklung und Teamthemen“ (176,36 Euro) einher. Auch die Bedeutung der „kleineren“ Themen bleibt über die Jahre stabil. Zu den „kleinen“ Themen gehören „New Work“ (182,16 Euro), „Komplexität“ (178,39 Euro) und „Digi- talisierung“ (172,21 Euro), die ebenfalls überdurchschnittliche Stundensätze auf- weisen. Als Fazit für das Pandemiejahr 2020 kann mit Blick auf den Coaching- Markt festgehalten werden, dass trotz massiver Veränderungen in den Rahmen- bedingungen Coaching weiterhin einen festen Platz in der Personalentwicklung hat und als Betätigungsfeld für viele Be- rater attraktiv ist. Jörg Middendorf, Lutz Salamon
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==