Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021

wirtschaft + weiterbildung 05_2021 29 wird wieder mit der Führungskraft be- sprochen, ob die vorher definierten Ziele erreicht wurden und wie das Gelernte nun in die Arbeit einfließen soll. Diese Gespräche sind mir sehr wichtig. Denn Bildung ist eine Investition in Menschen, die einen echten Nutzen stiften soll. Brähler: Ein paar Wochen später folgt ein Online-Nachbereitung zum Training. So erreichen wir eine gute Verdichtung zwischen Vorgesetztengespräch, Training und dem erfolgsorientierten Transfer in die Praxis. Echtes „Deep Learning“ in mehreren Schichten sozusagen. Wer Ziele vereinbart, vergütet oft auch die Erreichung hinterher. Zahlt Tegut persönliche Boni für Nachhaltigkeit? Brand: Nein, wir haben keine Boni, die auf individuelle Ziele ausgerichtet sind. Wir setzen auf fixe und verlässliche Ge- hälter und Zusatzleistungen, um eine sta- bile Verbindung zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden zu schaffen. Brähler: Man kann das Thema „Nach- haltigkeit“ an einen Bonus koppeln in der Vermutung, dass dies motiviert. Ich würde hier jedoch die These wagen, dass das zwar funktionieren kann – aber eben nur kurzfristig. Und das wäre wiederum per se nicht nachhaltig. Ich denke, um Personalentwicklung wirklich nachhaltig zu betreiben, gibt es bessere Mittel. Wir setzen zum Beispiel auf stark erfahrungs- orientierte Weiterbildung, auch wenn das derzeit unter Coronabedingungen nur eingeschränkt geht. Wie sieht die erfahrungsorientierte Weiterbildung bei Tegut aus? Brähler: Wir gehen zum Beispiel zu den Bauernhöfen und sehen uns die Hal- tungsbedingungen von Tieren an. Dann zeigen wir den Teilnehmern konkret, wo die Vorzüge der Bio-Tierhaltung liegen. Dieses direkte Erleben macht sehr viel mit den Menschen. Ein zweites Beispiel ist eine Initiative für unsere Auszubilde- nen: Wir fahren gemeinsam nach Berlin zur Grünen Woche und nehmen dort auch an einer Demonstration zu Nachhal- tigkeit, ökologischer Erzeugung und Zu- kunft der Landwirtschaft teil. Wenn man mit 30.000 anderen mitläuft, ist das ein emotionales Erlebnis. Die Azubis spüren vor Ort, dass Tegut genau das Richtige tut und die Fragen der Zeit und der Zu- kunft aus echter Überzeugung aufgreift. Wir setzen also erst auf das Erlebnis und besprechen dann im Nachgang, was wir dabei eigentlich gelernt haben – sozusa- gen Praxis mit Emotionen und Erfahrun- gen vor Theorie. Nun haben Sie das Karriereprogramm „Tegut University“ aufgesetzt. Inwiefern zahlt es auf die Nachhaltigkeitsziele ein? Brähler: An diesem Programm nimmt eine Gruppe von 15 jungen Mitarbeitern aus allen Unternehmensbereichen teil, die seit mindestens zwei Jahren bei Tegut arbeiten. Ziel der Weiterbildung ist es, persönliche und fachliche Kompetenzen auszubauen und vor allem eigene Karrie­ reperspektiven zu entwickeln. Wesentli- che Elemente sind Kontaktrunden mit der Tegut-Geschäftsleitung und Experten aus verschiedenen Unternehmensbereichen, ein mehrwöchiger Arbeitsplatzwechsel, Netzwerktreffen und ein begleitendes Hochschulprogramm mit der Wilhelm- Büchner-Hochschule Darmstadt. Nach- haltig ist das in dem Sinne, dass wir den Mitarbeitern eine langfristige Perspektive im Unternehmen bieten. Brand: Ein weiterer Punkt in Bezug auf die Nachhaltigkeit ist die Vermittlung der Tegut-Kultur und -Werte über das Pro- gramm. Wir haben vor einiger Zeit einen Prozess durchlaufen, in dem wir unsere Werte und Führungsgrundsätze noch ein- mal geschärft haben. Wie sehen die Grundsätze konkret aus? Brähler: Man kann sie in drei Schlagwor- ten zusammenfassen: Wir führen und arbeiten nachhaltig, verbindend und initiativ. Nachhaltig, das ist die Art und Weise, wie wir mit unseren Produzenten arbeiten, wie wir die Prozesse gestalten, aber auch die Personalarbeit. Verbindend heißt, wir wissen, dass wir nur in einer guten Gemeinschaft erfolgreich sind und verbinden uns auch nach außen mit Lie- feranten und Kunden. Initiativ bedeutet, dass wir gestalten, als Unternehmen vor- angehen, die Zukunft der Branche mitent­ wickeln und jeder sich einbringen kann. Zum Stichwort „initiativ“: Tegut hat inzwischen drei „Teo-Stores“ eröffnet. Das sind vollständig digitale Selbst- bedienungsläden. Inwiefern ist das nachhaltig in Sachen Personalarbeit? Brand: Vollständig digital heißt ja nicht, dass wir keine Mitarbeiter mehr brau- chen. Das Konzept der „Teo-Stores“ ist nachhaltig: Wir können diese Kleinstlä- den mit nur 50 Quadratmetern an Orten unterbringen, wo ein großer Markt nicht rentabel wäre. So erreichen wir Menschen in ihrem direkten Umfeld und stellen die Grundversorgung sicher. Das ist zum Bei- spiel in der Nähe Kliniken oder Universi- täten, und das 24 Stunden am Tag. Brähler: Damit gehen außerdem neue Perspektiven für die Arbeit einher: „Teo“ ermöglicht moderne Arbeit mit individu- eller Freiheit ohne starre Schichtsysteme – gerade im Teilzeitbereich. Das schafft neue Möglichkeiten und Motivation. Interview Kristina Enderle da Silva Foto: tegut... Foto: André Druschel Karl-Hein Brand ist Leiter Per- sonelles und Mitglied der Tegut- Geschäftsleitung. Benjamin Brähler ist Bereichsleiter Akademie und Talent Manage- ment. Er leitet das neue Karriere- programm „Tegut University“.

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