Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021

wirtschaft + weiterbildung 05_2021 17 man die Trainer, die man schon lange kennt, die vor allem freundlich sind und einem nicht widersprechen und wo der Preis passt. Eine freie Ausschreibung gibt es zu oft nicht. Und wenn die Personalentwickler das Unternehmen wechseln, neh- men sie häufig die Trainer mit. Der Markt ist nicht transparent und es wird oft zu wenig berücksichtigt, wie nachhaltiges Ler- nen wirklich funktioniert. Zurück zu Ihrem Spezialgebiet „Fragen“. Warum fällt es Führungskräften eigentlich so schwer, mehr zu fragen? Patrzek: Eine Führungskraft, die eine Frage stellt, steht dann für einen Moment selbst nicht mehr im Mittelpunkt und gibt die Kontrolle ab. In meinen Seminaren habe ich immer wieder erlebt, wie schwer sich manche damit tun, offene Fragen zu stellen. Wir üben das zwar intensiv im Seminar aber in der Ab- schlussübung, verwenden sie wieder nur geschlossene Fragen. Warum? Die Art zu fragen hat meiner Meinung nach viel mit der Persönlichkeit zu tun. Bei einer geschlossenen Frage habe ich immer eine Vorannahme und der andere kann nur ja oder nein sagen. Bei einer offenen Frage weiß ich nicht, was kommt, und liefere mich gewissermaßen dem Befragten aus. Das sind zwei unterschiedliche Mindsets. Die geschlossene Frage erzeugt bei Fragenden Sicherheit, die offene Frage Unsicherheit, in dem Sinne, dass ich vielleicht eine Antwort bekomme, mit der ich nicht gerechnet habe und die mich vielleicht dumm dastehen lässt. Dieses Fallenlassen erfordert auch eine gewisse Demut und es braucht auch eine psychologische Sicherheit des Fragenden. Aber dafür erfahre ich auch viel mehr von dem anderen. Das hat natürlich auch viel mit dem Zuhören zu tun. Zuhören ist eine hochkomplexe Anti-Narzissmus-Technik, die daher nur wenigen gelingt. Wie geht es Ihnen als Trainer in der Coronapandemie? Patrzek: Im ersten Vierteljahr war ich positiv gestimmt und dachte, es geht vorbei. Ich hatte endlich Zeit, alles zu machen, zu dem ich bisher nie kam. Ich habe wahnsinnig viel gelesen, fünf Artikel geschrieben, neue Übungen entwickelt, um digi- tale Seminare anzubieten. Im Juni 2020 fing es wieder ganz langsam an und dann ist alles wieder kollabiert. In der zweiten Frustphase habe ich angefangen, mein Programm zu digitali- sieren, habe meine Website umgestaltet, mehr als sieben Pod- casts gemacht und Videosequenzen aufgenommen, die kann ich verkaufen. Online läuft es schon wieder etwas, aber das ist natürlich nicht die Auslastung wie früher. Ich kann nicht die Heldengeschichte erzählen, dass ich als Trainer problemlos ins digitale Zeitalter umgestiegen bin. Nagt die erzwungene Untätigkeit als Präsenztrainer auch an Ihrer Psyche? Patrzek: Corona macht etwas mit mir, das meine Selbstwirk- samkeit und mein Selbstbild angreift, und ich fühle inzwischen schon ein Stück Kränkung und Hilflosigkeit. Mein Konzept bis- her war: Ich mache so weiter wie bisher. Also habe ich eben ganz viel gelesen und geschrieben. Jetzt bin ich präpariert für einen Neuanfang mit ganz viel Digitalisierung und der kommt nicht. Ich bin ich zum ersten Mal in einer Phase, wo ich an- fange, ratlos zu werden, und nicht weiß, wo die Reise hingeht. Meine bisherige Gewissheit und Sicherheit, dass das alles wie- der gut wird, bekommt Risse. Ich ziehe schon sehr viel Energie aus meinem Beruf und als Experte definiere ich mich auch dadurch, manchmal vielleicht sogar zu viel. Was glauben Sie, wie sich der Seminarmarkt entwickelt? Patrzek: Ich weiß es nicht. Er wird sich verändern. Es wird viele digitale Formate geben. Aber erst einmal werden viele Firmen pleitegehen. Andere werden kein Geld mehr für Wei- terbildung haben und sich vielleicht auch fragen: Brauchen wir diese Seminare überhaupt? Ich kann natürlich hoffen, dass ich als Experte irgendwie wieder einigermaßen heil aus dem Ganzen herauskomme. Deshalb wollte ich ja immer Experte werden. Was würden Sie anderen Trainern in der Coronasituation raten? Patrzek: Einen Schritt zurückzutreten und sich anzuschauen, was da überhaupt passiert und was das mit einem macht. Viele Trainer sind im Kern einsame Wanderprediger, die ihre Heldengeschichten erzählen. Sie sollten sich viel häufiger mit guten Freunden und Kollegen austauschen, gemeinsam Kon- zepte entwickeln, zusammen trainieren und vor allem vonei- nander lernen. Und sich gemeinsam Gedanken machen, wie sich der Markt entwickeln könnte und wie man darauf reagie- ren könnte. Das entlastet. Vielleicht ist die Zeit, wo jeder zu jedem Thema Trainer werden kann, auch einfach vorbei und der Markt bereinigt sich. Es schadet daher nicht, als Trainer zu reflektieren, was einem wirklich Spaß macht und wo man wirklich gut ist, und sich vielleicht auch von manchem Thema zu verabschieden. Also mehr Fokussierung? Patrzek: Ich weiß, das klingt jetzt sehr provokant, aber viele Selbstständige schreiben auf ihre Visitenkarte, dass sie Trai- ner, Berater und Coach seien. Das ist ungefähr so, als ob ich schreibe, ich sei Bäcker, Metzger und Landwirt, denn alle haben ja irgendwo und irgendwie was mit Lebensmitteln zu tun. Aber das sind für mich ziemlich grundverschiedene Dinge. Ich bin Trainer und bringe den Leuten in Seminaren etwas bei, was sie selbst anwenden können. Ein Trainer gewinnt an- dere, berührt und verändert Menschen und geht wieder. Ein Berater gibt fachlichen Input von außen. Ein Coach arbeitet im Einzelkontakt über einen längeren Zeitraum an der Entwick- lung eines Klienten. Da steckt doch jeweils eine ganz andere Psychodynamik dahinter und als Experte brauche ich jeweils andere Kompetenzen. Interview: Bärbel Schwertfeger „ Meine bisherige Gewissheit und Sicherheit, dass das alles nach der Krise wieder gut wird, bekommt Risse.“

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