Wirtschaft und Weiterbildung 5/2021
menschen 16 wirtschaft + weiterbildung 05_2021 Stressmanagement. Aber da gibt es andere, die sind besser. Die sind dort Experten. Ich kaufe doch meine Semmeln auch beim Bäcker und nicht beim Reifenhändler. Zudem vereinfacht es auch die Akquise. Ich rufe nur die an, denen die Fragetechnik nachweislich bei der Bewältigung ihrer Aufgaben hilft – also etwa die Verantwortlichen im Vertrieb, im Consulting, in der Revision oder im Qualitätsmanagement. Entweder sie sagen nach drei Sätzen, das klingt gut, oder sie sagen nein. Aber ich bin immer gleich am Punkt. Ich vergeude keine Zeit. Manch- mal habe ich Anfragen zu anderen Themen, aber die trainiere ich immer seltener. Da müsste ich mich erst wieder einlesen und auf den neuesten Stand bringen. Da kommt die alte Schule bei mir hoch: Mache es richtig, lüge nicht und sei einfach du. Aber viele Trainer – besonders wenn sie auch in der Speaker-Szene zuhause sind – trumpfen doch immer nur mit Superlativen auf … Patrzek: Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich da manchmal ein bisschen neidisch. Die machen ganz viel Chichi und Drum- herum und treten ohne den kleinsten Selbstzweifel auf. Das kann ich nicht und das bin ich nicht. Da sehe ich mich eher als Handwerker, der solide Arbeit abliefert. Ich weiß, was er kann. Vor einem Jahr habe ich mein Haus umgebaut und wollte ein zusätzliches Dachfenster einbauen lassen. Der erste Handwer- ker kam, schaute sich alles an, klopfte die Wände ab, maß die Abstände und sagte mir: „Das Fenster, das Sie möchten, baue ich Ihnen nicht ein. Das geht nicht.“ Und er erklärte mir, warum. Der zweite Handwerker sagte sofort: „Das mache ich Ihnen.“ Ich habe es natürlich nicht einbauen lassen. Der erste Handwerker wusste, was er tut, und so sehe ich mich auch. Daher bin ich oftmals frustriert, wenn das Trainerhandwerk von den Einkäufern in den Unternehmen nicht richtig wertge- schätzt wird. Die Personaler möchten ein eintägiges Seminar zu Fragetechniken für 15 Teilnehmer. Das mache ich nicht, das ist kein gutes Handwerk. Sinn macht ein Seminar erst mit maximal zehn Teilnehmern in zwei Tagen. Mangelt es den Personalentwicklern daher am Wissen für den Einkauf von Trainings? Patrzek: Ich treffe zu selten auf Auftraggeber, die mir im Ak- quise-Gespräch kompetente und herausfordernde Fragen stel- len wie: Was qualifiziert Sie als Trainer? Worauf beruht Ihr Erfolg? Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um? Was glauben Sie, wie Sie auf die Teilnehmer wirken? Über welche Selbsterfahrung verfügen Sie? Wie gestalten Sie Ihre persön- liche Supervision? Wo sehen Sie die aktuellen Trends? Diese Fragen kommen fast nie. Dabei würde ich gern auf Augen- höhe gemeinsam diskursiv erkunden, ob ich für die Zielgruppe passe oder wo ich mein Design vielleicht anpassen müsste. Ich würde mir mehr gemeinsames Ringen wünschen, um das ideale Seminar anbieten zu können. Aber wenige Personal- entwickler waren selbst Trainer und sie verstehen oft nicht im Detail, was es heißt, Mitarbeiter nachhaltig zu trainieren. Nur ganz wenige kommen leider auch mit ins Seminar und dis- kutieren mit mir das Erlebte. Und zu den Feedbackbögen der Teilnehmer erfolgt auch nur selten im Detail Rückmeldung. Natürlich gibt es da auch positive Ausnahmen. Aber im Kern finde ich das manchmal recht frustrierend. Auch auf den Trans- fer wird nur selten Wert gelegt. Inwiefern? Patrzek: Was ich als Teilnehmer im Seminar gelernt habe, muss ich immer wieder anwenden. Sonst ist es wieder weg. Bei mir gibt es nach jeder Lerneinheit kleine Lernkarten für die Teilnehmer. Die stecken sie in eine Schachtel oder in den Geldbeutel und so werden sie immer wieder an die wesent- lichen Punkte erinnert. Zum Transfer gehören für mich auch gute Fotoprotokolle. Dabei kommentiere ich die Fotos von den Flipcharts. Warum haben wir das gemacht? Was ist die The- orie dahinter? Nach acht Wochen gibt es einen Reminder, in dem noch mal wichtige Punkte aktualisiert sind, und Übungen dazu. Nach einem halben Jahr kommt noch mal eine Erinne- rung. Das gehört für mich zum Handwerk. Da stellt sich die Frage, ob Ihre Ansprüche auch den Ansprüchen der Personalentwickler entsprechen ... Patrzek: Das weiß ich nicht. Die stecken natürlich auch in einer Zwickmühle. Manchmal ist mein Eindruck, dass die darunter leiden, dass die Geschäftsführung die Tragweite von guter Per- sonalentwicklung nach wie vor nicht richtig einschätzt und ihre Arbeit auch nicht genügend würdigt. Nach wie vor hat Weiterbildung oft eine Alibifunktion. Da sagt die Geschäftsfüh- rung, wir machen jetzt mal etwas in Weiterbildung für unseren Geschäftsbericht. Denn da steht drin, dass wir drei Prozent unserer Gewinne in Weiterbildung investieren. Und die Perso- nalentwicklung kauft darauf halt ein Training ein. Dabei nimmt R „ Viele Trainer sind im Kern einsame Wanderprediger, die ihre Heldengeschichten erzählen.“ Führungskräftetraining. Patrzek macht jungen Führungskräften Mut, mehr „offene“ Fragen zu stellen.
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