Wirtschaft und Weiterbildung 3/2021
54 wirtschaft + weiterbildung 03_2021 hot from outside Die US-amerikanischen Unternehmensberater Gary Hamel und Michele Zanini plädieren in ihrem neuen Buch „Humanocracy“ dafür, Bürokratie in Unter- nehmen durch eine „menschenzentrierte“ Orga- nisationsform zu ersetzen. Eine auf Vorschriften und Aktenführung bedachte Arbeitsweise sei auch heute noch notwendig, sagen die Autoren. Aber – so ihre Kritik – sie bringe nur geringen Mehrwert. Zur Zeit tue die Verwaltung in den Konzernen nichts anderes, als Menschen in programmierbare Robo- ter zu verwandeln. Es werde Konformität gefordert und damit innovationsfeindliches Verhalten erzeugt. Karriereaussichten hätten nur diejenigen, die verstünden, das Spiel mitzuspielen – durch Micro- management und Buckeln nach oben. „In unter- schiedlichem Maße macht die Bürokratie uns alle zu Arschlöchern“, so die Autoren. Zudem verändere sich die Welt schneller, als sich bürokratische Organisationen darauf einstellen könnten – und zwar nicht erst seit Corona. Dem Klimawandel oder den arbeitsplatzverlagernden Auswirkungen der Automatisierung könne nur die menschliche Vorstellungskraft etwas entgegen- setzen. Die Autoren sind sich sicher: Eine men- schenzentrierte Arbeitswelt könne die Gewinne in den USA um 3,4 Billionen und global gar um zehn Billionen Dollar jährlich erhöhen. Das errechnen sie mithilfe ihres „Bureaucratic Mass Index“. Die Hauptprämisse des Buchs besteht darin, dass die Unternehmen Menschen und nicht Strukturen in den Mittelpunkt stellen sollen. Statt eines Manage- mentmodells, das um der Effizienz Willen versucht, die Kontrolle zu maximieren, braucht es demnach eines, das den Beitrag der Mitarbeiter maximiert. Dieses radikale Umdenken erfordert neue Manage- mentprinzipien. Es gelte zum Beispiel, die Eigenver- antwortung der Beschäftigten zu stärken – auch finanziell. Dabei müsse Führung von Kompetenz abgeleitet werden und nicht von formalen Titeln oder Positionen. Ein weiteres Prinzip sei Parado- xie: Mitarbeitende müssten Zielkonflikte zwischen Größe und Agilität, Innovation und Effizienz sowie Freiheit und Disziplin miteinander in Einklang brin- gen können. Die Autoren liefern Beispiele von Unternehmen wie Nucor, Svenska Handelsbanken oder Miche- lin. Viele Organisationen starten Experimente, die Bürokratie abzubauen. Dabei empfehlen Hamel und Zanini, nicht auf die Erlaubnis des Topmanagements zu warten. Jeder müsse selbst Bürokratisches entgiften, zum „Management-Hacker“ werden und sich als Aktivist Gleichgesinnte suchen, um das Antibürokratievorgehen zu skalieren. Das Buch ent- hält dazu viele Tipps. Was fehlt, ist ein Gesamtbild, wie Unternehmen diese Denkansätze orchestrieren können. Letztlich löst das Buch dann doch nicht die Frage: „Wie soll man politische Machtstrukturen knacken, wenn das Topmanagement die Verände- rung nicht unterstützt?“ Humanocracy streift ledig- lich die Schmerzpunkte. Humanocracy Post-bürokratische Visionen Gary Hamel, Michele Zanini Humanocracy, Harvard Business Review Press, Harvard 2020, 368 Seiten, 28 Euro Statt der Bürokratie besser die Eigenverantwortung stärken. „ „ Stefanie Hornung Die freie Journalistin/Reporterin Stefanie Hornung hat sich auf die Themen New Work, Personalmanagement und Diversity spezialisiert. Sie gehörte viele Jahre als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen „Zukunft Personal“, „Personal Nord“ und „Personal Süd“. Außerdem war sie Chef- redakteurin des Onlineportals „HRM.de “. Mail: s.hornung.ma@gmail.com Foto: Ines Meier
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