Wirtschaft und Weiterbildung 3/2021
personal- und organisationsentwicklung 24 wirtschaft + weiterbildung 03_2021 Vorstand. Klinsmann bewirkte aber trotz allem folgende Veränderungen: Innovationen. Klinsmann arbeitet mit den fachlich und menschlich besten Personen zusammen. Alte und ihm unnütze Traditi- onen und Personen werden entfernt, wie die Torwartlegende und Torwarttrainer Sepp Maier, den Klinsmanns Vertrauter Andreas Köpke ersetzte. Klinsmann mag es zu reformieren. Er arbeitet provokativ und innovativ, indem er Ziele vorgibt, die vielleicht anfangs zu groß erscheinen (Weltmeister zu werden), und neue Me- thoden einführt. Er gab der Fitness in der Nationalmannschaft einen neuen, hohen Stellenwert, gab der Mannschaft einen Manager und öffnete die Mentalität. Leistungsentwicklung. Klinsmann sieht Veränderung als permanenten Prozess und strebt dafür eine von einzelnen Ak- teuren unabhängige Struktur an. Sein Auftrag in den USA war die Restrukturie- rung von der A-Nationalmannschaft über die Olympia-Mannschaft bis zur U14. So konnte er die Beliebtheit des US-Männer- fußballs zumindest teilweise steigern. Individualitätsfokus. Die Entwicklung jedes einzelnen Spielers ist für Klinsmann sehr wichtig. „Er kümmerte sich intensiv um jedes einzelne Teammitglied, analy- sierte dessen Fähigkeiten und coachte die Spieler“, erklärte Wolfgang Jene- wein 2008 im Harvard Business Mana- ger. Klinsmann ist auch die individuelle Weiterbildung seiner Spieler in anderen Bereichen wichtig; so motiviert er seine Spieler zu eigenständigen Entscheidun- gen und selbstbestimmtem Leben. Team Spirit. Ein guter Teamgeist ist si- cherlich eines der öffentlich bekanntesten Merkmale von Klinsmanns Führungsstil, nicht zuletzt durch seine bekannte Kabi- nenansprache während der WM 2006. Er hat verstanden, dass spielerische Fähig- keit und körperliche Fitness ebenso ent- scheidend sind wie mentale Stärke und mannschaftliche Geschlossenheit. Klins- manns Co-Trainer bei Hertha BSC, Alex- ander Nouri, beschrieb den Führungsstil von Jürgen Klinsmann so: „Wir sehen uns als Dienstleister für die Spieler.“ Im DFB-Team wurden unter Klinsmann gemeinsame Events zur Stärkung des Teamgeists eingeführt, die der eigens dafür eingestellte Sportpsychologe Hans- Dieter Hermann einbrachte. Die Spieler wurden individuell viel mehr mit einbe- zogen als früher. „Auch das Informieren, Moderieren und Argumentieren förderte Klinsmann“, wie Claus-Peter Niem und Karin Helle in ihrem Buch „One Touch“ analysierten: „So wurden kleine Teams gebildet, deren Aufgabe es war, sich über kommende Gegner und ihre Spielweise zu informieren. Ziel des Ganzen: den Mit- spielern zukünftige Gegner durch kleine Input-Referate näherzubringen; ins Ge- spräch zu kommen, miteinander zu reden, sich besser kennenzulernen, mutiger vor einer Gruppe sein Wort zu machen.“ Vorleben. Wie bereits erwähnt, war Klins- mann mit seiner langen internationalen Karriere als Fußballer ein großes Idol für sehr viele Fußballer. In den USA hat er sich wohl die dortige Mentalität und die Wahl seiner Ziele und Worte angewöhnt. Diese Art der Motivation passt zu seiner eigenen erfolgreichen Karriere und wirkt daher glaubwürdig. Er wurde vom DFB als Ehrenspielführer der Nationalmann- schaft geehrt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zu diesem Anlass: „Sie, lie- ber Herr Klinsmann, und die ganze Na- tionalmannschaft haben die Deutschen nicht nur als Fußballnation, sondern als Nation insgesamt mitgerissen.“ Vision. Klinsmann gilt als Visionär. Er steckt hohe Ziele und versucht, diese auch zeitnah zu erreichen. Er schafft es nachhaltig, andere zu begeistern und zu motivieren. Man könnte kritisch hinter- fragen, ob eine transformational übermit- telte Vision ausreicht, den Alltag langfris- tig zu gestalten. Hohe Ziele und große Ideen sind eine Sache, alltägliche Routine (die eher zu der transaktionalen Führung passt) eine andere. An dieser Kombina- tion ist Klinsmann sicherlich oft geschei- tert. Seine Vision ist aber auf jeden Fall transformational, da von ihm erdachte und eingeführte Ideen und Strukturen auch ohne ihn weitergeführt wurden. Transaktionale Führung am Beispiel Joachim Löw Transaktionale Führung zeichnet sich dadurch aus, dass ein Ziel festgelegt und die Erreichung des Ziels belohnt wird. Die Transaktion heißt: Geld und Lob für eine erfolgreiche Aktion. Die Eckpunkte der transaktionalen Führung sind: • Zielsetzung (verdeutlichen, was bei er- folgreicher Arbeit als Entlohnung und Anerkennung erwartet werden kann) • Ausnahmemanagement (notwendige Regeln und Verordnungen aktiv nach- halten) Joachim Löw war als Spieler eher un- bekannt, erhielt aber als Trainer viel Ruhm und Bewunderung. Er gewann als Vereinstrainer mit dem VfB Stuttgart 1997 den DFB-Pokal und wurde 2002 Meister mit dem FC Tirol. Richtig bekannt wurde er im Zuge der Sommermärchen-WM 2006 in Deutschland als Co-Trainer. Als Klinsmann nach der WM als Bundestrai- ner zurücktrat, übernahm Löw das Amt, das er bis heute innehat. 2014 gelang ihm mit der Mannschaft der WM-Sieg. Die Besonderheiten des Wirkens von Löw lassen sich als Beispiel für transaktionale Führung heranziehen – auch wenn einige transformationale Elemente ebenso er- kennbar sind: Zielsetzung. Löw hat eine klare Vorstel- lung, wohin er mit seiner Mannschaft kommen will. Das Transaktionale dabei ist, dass er die Ziele sehr besonnen an- geht und sie Schritt für Schritt in Form von Etappenzielen umsetzt. Zudem hat er klare, spielerspezifische Erwartungs- haltungen für die Erreichung des Ziels. Er ordnete dem Ziel, Weltmeister zu werden, alles unter und überließ nichts dem Zufall, wie Antje Heimsoeth 2017 in R Prof. Dr. Jens Rowold ist Inhaber des Lehrstuhls Per- sonalentwicklung und Veränderungsmanagement der TU Dortmund. Er hat die vorliegende Analyse mit seinen Mitarbeiterinnen Christina Neugebauer und Nele Hart- man verfasst. Die vollständige Ana- lyse ist auf der Website des oder auf Anfrage beim Lehrstuhl verfügbar. Technische Universität Dortmund Lehrstuhl für Personalentwicklung und Veränderungsmanagement Tel. +490231 7556623 Hohe Straße 141, 44139 Dortmund AUTOR
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