Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020
54 wirtschaft + weiterbildung 05_2020 Gudrun Porath hot from the US Nicht nur in den aktuellen Medien, sondern auch in diesem Buch geht es um eine Epidemie. Der Autor spricht wörtlich von der „Seuche“, dass sich inkom- petente Männer massenhaft auf den Führungsebe- nen von Unternehmen breitmachen. Die Ursache: Die Menschen, die den Nachwuchs einstellen und befördern, setzen „starkes Selbstvertrauen“ mit „hoher Kompetenz“ gleich. Die wirklich kompe- tenten Menschen (reflektierte Männer wie Frauen) sind dagegen anfällig für Selbstzweifel, weil sie aufgrund ihrer Intelligenz natürlich auch Beschrän- kungen bei sich selbst entdecken. Kein Wunder also, dass übertriebene männliche Eigenschaften wie übersteigertes Selbstbewusst- sein und brutales Durchsetzungsvermögen offen- sichtlich sehr hilfreich sind, um inkompetente Männer ins Topmanagement zu spülen. Dabei sollten Blenderqualitäten ein Warnsignal sein, weil laut Autor dahinter oft eine „armselige“ Führungs- kraft steckt, die immun ist gegen Feedback, die sich gegen notwendige Veränderungen wehrt und die keine anderen Menschen konsultiert, wenn sie wichtige Entscheidungen treffen muss. Kein Wunder, dass das Buch in erster Linie dazu auffordert, die Auswahl von Führungskräften zu überdenken. Bislang seien viele Auswahlverfahren in der Regel nur auf einen Faktor ausgerichtet – nämlich sich und sein Anliegen gut verkaufen zu können. Dabei würden andere Faktoren, die wich- tiger wären für eine gute Leadership-Performance, leichtsinnigerweise ausgeblendet. Das gilt für emo- tionale Intelligenz, Neugierde und eine angemes- sene Demut. Wenn „toxische Individuen“ rechtzeitig aussortiert würden, dann würde das am schnellsten dafür sorgen, dass mehr Frauen in Führungspositi- onen kämen. Der Autor geht andererseits auch davon aus, dass (männliche) Führungskräfte entwickelt werden können. Er zählt sechs Bausteine einer modernen Führungskräf- teentwicklung auf. Wichtigster Baustein ist das Coaching. Der Coaching-Erfolg hängt für den Harvard-Professor dabei sehr stark vom Talent und den Fähigkeiten eines Coachs ab – mehr als von der Coaching-Methode. Als erfolgreich habe es sich erwiesen, wenn die Coachs die Führungskräfte dazu bringen könnten, sich ihren Mitarbeitern zu öffnen und einen intensiveren Gedankenaustausch mit ihnen zu pflegen. Außerdem sollte im Coaching viel Zeit darauf verwendet werden, dass Führungskräfte lernen, ihre Emotionen besser zu regulieren. Es sei „nachgewiesen“, dass Coaching Führungskräfte sozialer, selbstloser und mitfühlender machen könne. Zum Beispiel hätten es viele Coachs geschafft, Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter oft kontrollierten, dazu zu bewegen, ihnen mehr Auto- nomie zuzubilligen. Der Autor ist sich aber auch im Klaren darüber, dass Coaching seine Grenzen hat und schließt sein Buch mit der Bemerkung, es sei leichter, Führungskräfte zu entwickeln, wenn sie vorher sorgfältig ausgewählt worden seien. Führungskräfteentwicklung Mehr Integrität, bitte! Die freie Journalistin Gudrun Porath hat sich auf die Themen Personalentwicklung und Organisationsentwicklung spezialisiert. Sie ist E-Learning-Kolumnistin für www.haufe.de/personal un d Mitglied des Programmbeirats „Corporate Digital Learning Experience“ der Messe „Zukunft Personal Europe“ in Köln. Außerdem schreibt sie regelmäßig für das „Personalmagazin“ und „Wirtschaft + Weiterbildung“. Tomas Chamorro-Premuzic: Why do so many incompetent men become leaders?, Harvard Business Review Press, Boston, Massachusetts 2019, 240 Seiten, 18,00 Euro Coaching sollte Führungskräfte dazu bringen, sich mehr zu öffnen. „ „
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==