Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

R wirtschaft + weiterbildung 05_2020 35 Produkte wie Zoom und Adobe Connect um. Am Anfang gab es 20 Stunden pro Woche per synchronem Videounterricht, drei bis vier Unterrichtseinheiten à ein- einhalb Stunden pro Tag, berichtet Mar- tin Boehm, Dean der IE Business School. Dann habe man den Synchronunterricht auf maximal zehn Stunden reduziert. Nun müsse es fünf Stunden Diskussi- onen auf einem entsprechenden Board geben und für fünf Stunden müssten sich die Professoren alternative Lernmetho- den suchen. „Sie müssen ihre Lernziele und ihre Lernmethoden anpassen und andere pädagogische Ansätze finden“, so Boehm. Das könne zum Beispiel die gemeinsame Teilnahme an einer Simula- tion sein, gefolgt von einer Zusammen- fassung und Diskussion oder ein Grup- penprojekt. „Wir sind in zwei Schritten vorgegangen“, erklärt IE-Dean Boehm. „Erst schnell auf synchronen Unterricht umstellen und dann die Strukturen und Programme anpassen.“ Zudem verstärke man sukzessive die Infrastruktur, um die Programme auf den WOW-Room stel- len zu können. Er schätze, dass man in zwei bis drei Monaten soweit sei. Dabei profitiert die Business School von ihren umfangreichen Erfahrungen mit der On- linelehre. Rund die Hälfte der Professoren im Vollzeit-MBA habe bereits Erfahrung damit, so Boehm. Der Rest bekam eine Schnelleinführung und einen erfahre- nen Kollegen – möglichst aus demselben Fachbereich – zur Seite gestellt. Einige Business Schools haben schon gute Online-Expertise Business Schools, die bereits Erfahrungen mit Onlineprogrammen haben, profitie- ren davon in der aktuellen Krise. Denn gute Onlineprogramme sind weit mehr als nur synchrone Videovorlesungen. Sie erfordern neue didaktische Konzepte und vor allem vielfältige Interaktionsmöglich- keiten. Wie aufwendig das ist, hat man an der Ross School of Business an der University of Michigan erfahren, wo im vergangenen Herbst ein neuer Online- MBA startete. Hundert bis zweihundert Stunden investierte dabei jeder Professor dafür, seinen Kurs neu zu konzipieren und die synchronen und asynchronen Lerneinheiten so auszurichten, dass die Lernziele erreicht werden. Zudem for- dern die neuen Kurse ein Maximum an aktivem Engagement von den Studenten, sei es beim Bearbeiten von einem Quiz, Projektarbeiten oder Examen. Unterricht mit der Videokonferenzplattform „Zoom“ sei kein Äquivalent zu einem sorgfältig konzipierten Onlinekurs, betonte John Katzman, Gründer der Lernplattform U2, gegenüber dem Portal Poets & Quants. So fehlten vor allem die asynchronen Ele- mente guter Onlineprogramme, die oft die größten Lernpotenziale haben. Zudem sei Zoom zwar ein sehr gutes Tool, sein op- timaler Einsatz erfordere jedoch auch ein entsprechendes Training der Lehrenden. Dafür hatten die meisten Schulen keine Zeit. So hatte die WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar be- reits am 9. März als erste Hochschule in Deutschland den Unterricht für fünf Tage eingestellt, nachdem dort ein Student positiv auf das Coronavirus (COVID-19) getestet wurde. Am 13. März gab die Hochschule dann bekannt, dass bis zum 30. April kein Präsenzunterricht an den Standorten in Vallendar und in Düssel- dorf stattfindet. Damit den Studenten keine Nachteile entstehen, haben die Lehrenden die Möglichkeit, ihre Vorle- sung von zu Hause aus selbst aufzuneh- men und online zur Verfügung zu stel- len. „Die Umstellung läuft viel besser als gedacht“, sagt Professor Markus Rudolf, Dean der Hochschule. Man biete alle Ver- anstaltungen in den laufenden Studien- gängen MBA – mit weniger als fünf Pro- zent Ausnahmen – online an. Auch für das Aufnahmeverfahren und die Prüfun- gen habe man inzwischen Lösungen kon- zipiert. Beim MBA und beim Executive MBA fehle noch eine hundertprozentige Lösung für die Auslandsmodule. Im Mo- ment würden sie verschoben und können später nachgeholt werden. Angeboten werden synchrone Videovorlesungen, es werden aber auch Aufzeichnungen und Videos auf der Plattform Panopto ein- gestellt. Auch Gruppenarbeiten gibt es weiter, nur eben virtuell. „Manche Kolle- gen entwickeln wirklich einen extremen Ehrgeiz, die digitalen Elemente, die die Videosoftware erlaubt, voll auszuschöp- fen“, freut sich der Rektor. Professoren haben oft großen Respekt vor „online“ Auch an der ESCP Europe in Berlin wur- den alle Kurse binnen kürzester Zeit von analog auf digital umgestellt. „Einige der Professoren hatten großen Respekt davor, ihren Kurs online zu unterrichten“, sagt Rektor Professor Andreas Kaplan. „Den- noch haben alle ohne Ausnahme mitge- macht und mittlerweile haben sie sogar Gefallen an den Möglichkeiten der On- linelehre gefunden.“ So könnten Studie- rende zum Beispiel während der Vorle- sung direkt in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden und in individuellen, virtuellen Räumen zusammenarbeiten und sich untereinander austauschen. Die meisten Onlineveranstaltungen finden als synchrone Videovorlesungen statt, werden aber auch parallel aufgezeichnet. Die Wahlkurse im Executive MBA kön- nen verschoben werden. Beim Executive Foto: IE, Madrid Wow-Room. Das modernste Klassenzimmer, das eine Business School zu bieten hat, steht bei der IE in Madrid.

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