Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

wirtschaft + weiterbildung 05_2020 31 Strategien für die Zeit nach der Krise Seit dem Ausbruch der Corona-Krise Anfang März 2020 in Deutschland sind einige Wochen vergangen. Auch die Schockwellen, die deren Folgen anfangs bei vielen Unter- nehmensführern auslösten, sind weitgehend vorüber. Viele Unternehmen und staatliche Behörden haben inzwischen die erforderlichen, kurzfristigen Akutmaßnahmen ergrif- fen. Deshalb wendet sich das Augenmerk der Entschei- der zunehmend der Frage zu: Was können wir tun, um die Existenz unseres Unternehmens mittel- und langfristig zu sichern und aus der Krise eventuell sogar gestärkt hervor- zugehen? Zwischen mittel- und langfristig unterscheiden Recht einfach lässt sich diese Frage bezogen auf die vielen Kleinunternehmen wie Gastronomiebetriebe und Friseur- salons beantworten, deren Markt primär ein lokaler ist: Bei ihnen lautet die Kernfrage: Haben sie die finanziellen Res- sourcen, um die Krise zu überstehen? Wenn nein, sind sie pleite, wenn ja, werden sie, sobald erlaubt, ihre Tore wieder öffnen und ein „business-as-usual“ betreiben – fast so, als wäre nichts geschehen. Anders sieht die Situation bei den meisten größeren Unter- nehmen aus, deren Markt ein multinationaler oder gar glo- baler ist. In ihnen stehen sogar erfahrene Entscheider beim Versuch, die Frage „Wie geht‘s weiter?“ zu beantworten, vor ihnen bisher unbekannten Schwierigkeiten, denn · einerseits ist der weitere Verlauf der Corona-Krise noch nicht abschätzbar · andererseits ist heute schon klar: Bedingt durch die Krise verändern sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftli- chen Handelns dieser Unternehmen so stark, dass sie ihre bisherigen Strategien grundsätzlich überdenken müssen. Wie vielschichtig und komplex der Change- oder Transfor- mationsprozess im Gefolge der Krise ist, wird den Ent- scheidern meist erst klar, wenn sie die Ist-Situation reflek- tieren. So ist zum Beispiel zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar: · Wie wirkt sich die Krise auf die Staatengemeinschaft aus? Wird sie zum Beispiel die EU (oder zumindest Teile von ihr) zusammenschweißen oder bleibt diese nur noch auf dem Papier bestehen? · Wie wirkt sich die Krise auf die Nationalökonomien aus? Enthalten sie nach der Krise mehr planwirtschaftliche Elemente und wird die Krise die protektionistischen Ten- denzen in den Staaten verstärken und somit zu höheren Handelsbarrieren führen? · Entwickeln sich in den Schwellenländern noch mehr „failed states“ und brechen unsere Lieferketten für gewisse Roh- stoffe nachhaltig zusammen? · Löst die Krise in vielen Branchen einen starken Konzentra- tions- und Übernahmeprozess aus? · Wie stark und in welcher Form wird die Krise die digitale Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft und den Onlinehandel puschen? Ähnliche Fragen stellen sich auf der mikroöknomischen Ebene – zum Beispiel: · Werden die Mitarbeiter, die zurzeit praktische Erfahrung mit der Arbeit im Homeoffice sammeln, nach der Krise noch akzeptieren, dass sie fortan wieder täglich von 8 bis 17 Uhr im Büro sein müssen? · Wird die Tatsache, dass in der Krise und der darauffolgen- den Wiederaufbauphase sehr viele Entscheidungen top- down getroffen werden müssen, die Unternehmenskultu- ren nachhaltig verändern? Iterativ und inkrementell vorgehen Fragen über Fragen, auf die man eigentlich eine Antwort bräuchte, wenn man ein Strategie für die Zeit nach der Krise entwerfen möchte. Doch diesbezüglich lassen sich zur Zeit nur Hypothesen formulieren und hierauf aufbau- ende Szenarien entwerfen. Dies sollten die Entscheider in den Unternehmen auch tun, denn es ist und bleibt ihre Auf- gabe, in ihren Organisationen jetzt die Weichen für die Zeit nach der Krise in Richtung Erfolg zu stellen. Hierbei können sie, um zwei Termini aus dem agilen Pro- jektmanagement zu gebrauchen, letztlich nur iterativ und inkrementell vorgehen. Das heißt, sie können aufgrund ihres jeweils aktuellen Wissensstands stets nur vorläu- fige Strategien und hierauf aufbauende Maßnahmenpläne entwickeln, um dann regelmäßig zu überprüfen: Waren die Annahmen, die ihnen zugrunde lagen, richtig oder müssen wir unsere Strategie modifizieren? Mit den obigen Fragen sollten sich übrigens zumindest auch alle Strategieberatungen befassen, denn: Wie wollen sie Unternehmen bei der Strategieentwicklung und -umset- zung unterstützen, wenn sie die Krise und ihre möglichen Folgen nicht reflektiert haben? Dr. Georg Kraus Corona-Krise. Um einen „Exit-Plan“ zu entwickeln, der aus der aktuellen Corona-Krise herausführt, und um eine Strategie für die Zeit nach der Krise zu finden, können sich die Entscheider in den Unternehmen zurzeit nur auf Annahmen und Spekulationen stützen. Deshalb müssen sie bei der Strategieentwicklung agil vorgehen.

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