Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 05_2020 ab. Dies ist bei der Transformation eines Unternehmens nicht der Fall. Hier gilt es vielmehr ausgehend von einer Vision durch sorgsam geplante Interventionen das System Unternehmen gezielt zu ent- wickeln. Das heißt, letztlich ist jeder Transforma- tionsprozess ein komplexer, multidimen- sionaler Change-Prozess, der seinerseits wieder aus einer Vielzahl von Change- Projekten besteht, die sich wechselseitig beeinflussen. Entsprechend groß muss die Change-Management-Kompetenz der Personen sein, die die Verantwortung für den Transformationsprozess tragen. Sie müssen, um zwei Termini aus dem agi- len Projektmanagement zu gebrauchen, inkrementell und iterativ vorgehen. Das heißt, sie müssen im Prozessverlauf immer wieder checken: • Erzielen wir mit unseren Veränderungs- initiativen die gewünschten Wirkun- gen? • Bewegen wir uns als Organisation in Richtung des angestrebten Ziels? Bei Bedarf muss dann eine Kurskorrektur oder Änderung am Design des Gesamt- projekts vorgenommen werden. Entspre- chend groß sollte außer ihrer analyti- schen Kompetenz auch ihre kommunika- tive Kompetenz sein, um den Beteiligten die Notwendigkeit von Kurskorrekturen zu vermitteln und sie sozusagen mitzu- nehmen. Bei Transformationen ist das Ziel oft unklar Komplex ist die Aufgabe, Transformati- onsprojekte zu planen und zu steuern, jedoch nicht nur aufgrund der vielen Einflussfaktoren und Wechselwirkun- gen, die hierbei zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, bei der Metamorphose eines Schmetterlings steht neben dem Ablauf auch das Endergebnis des Trans- formationsprozesses zu dessen Beginn bereits fest: Aus der verpuppten Raupe wird, sofern sie zwischenzeitlich kein Vogel frisst, ein Schmetterling, der nach wenigen Tagen stirbt. Anders ist dies bei der Transformation von Unternehmen. Hierbei steht in der Regel auch die Vision, also das angestrebte Endziel der ange- strebten Transformation, unter Vorbehalt – unter anderem, weil sich dieser Prozess, der sich in der Regel über mehrere Jahre erstreckt, insbesondere nach einer Krise in einem sehr dynamischen Umfeld voll- zieht. So kann heute zum Beispiel noch kein Topmanager in der Automobilindus- trie mit Gewissheit sagen: • Wie werden in 15 oder 20 Jahren Autos konstruiert und gebaut sein? • Wer sind dann, sofern wir dann als ei- genständiges Unternehmen noch exis- tieren, unsere schärfsten Mitbewerber, warum? • Wird es in 20 Jahren Autos überhaupt noch geben oder ist der motorisierte Individualverkehr aufgrund des rasant fortschreitenden Klimawandels zumin- dest in den Ballungsräumen ganz ver- boten? Die Manager in der Automobilindustrie können sich beim Entwickeln der Vision für ihr Unternehmen bestenfalls von be- gründeten Vermutungen, die auf gewis- sen Trends sowie Entwicklungslinien, Daten und Annahmen basieren, leiten lassen. Wie sich der Markt ihres Unter- nehmens und dessen Umfeld in 15 oder gar 20 Jahren tatsächlich gestalten, wis- sen sie jedoch nicht – heute noch weniger als vor der Corona-Krise, die die Grund- pfeiler der globalen Wirtschaft infrage stellt. Trotzdem müssen die Topmanager heute bereits damit beginnen, ihr Unter- nehmen zukunftsfit zu machen. Entspre- chendes gilt für das Management vieler Unternehmen. Deshalb haben die Transformationsver- antwortlichen gar keine andere Möglich- keit, als bei der Projektplanung und -steu- erung sehr agil zu sein und zu bleiben, selbst wenn dann die im Rahmen des Ge- samtprojekts stattfindenden Teilprojekte klassisch oder hybrid gemanagt werden. Entsprechend groß sollte neben ihrer Change-Management- auch ihre Projekt- managementkompetenz sein. Zudem müssen sie reife Führungspersönlichkei- ten mit einem starken Standing in ihrer Organisation sein, denen die Betroffenen wenn schon nicht gerne, so doch bereit- willig folgen – unter anderem, weil sie ihnen nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz, sondern auch ihrer Persön- lichkeit vertrauen. Dr. Georg Kraus R Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmens ­ beratung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal. Er ist Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag, 2004) sowie zahlreicher Pro- jektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix- en-Provence und der technischen Uni- versität Clausthal. Dr. Kraus & Partner Die Change Berater Werner-von-Siemens-Str. 2-6 76646 Bruchsal Tel. 07251 989034 www.kraus-und-partner.de AUTOR Automobilwirtschaft. Hier steht kurzfristig eine umfassende Transformation an.

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