Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

wirtschaft + weiterbildung 05_2020 25 Chefs mächtig Angst vor Kontrollver- lust haben. Von Oesterreich: „Ein Chef, der den Eindruck vermittelt, dass er die Probleme nicht erkent, verliert enorm an Vertrauen.“ 5 Die Psyche in der Corona-Krise „Was danach kommt, macht mir Angst“, sagte der Ostschweizer Psychiater und Mitglied der Geschäftsleitung der Psychi- atrischen Universitätsklinik Zürich, Erich Seifritz, der „NZZ am Sonntag“ vom 19. April 2020. Er warnt: „Mit den Arbeits- losenzahlen steigen die Suizidraten.“ Die Suizidraten in der Schweiz nähmen der- zeit ab, weil die Gesellschaft durch eine Bedrohungssituation näher zusammen- rücke. „Wenn wir jetzt ständig von Social Dis­ tancing reden, gebrauchen wir den fal- schen Begriff, eigentlich müsste es heißen Physical Distancing! Es gibt eine physi- sche und nicht soziale Distanzierung“, er- klärt der Psychiater. „Was jetzt geschieht, ist ein Social Narrowing, das Verstärken sozialer Kontakte. Ich habe noch nie so oft mit meiner bald 85-jährigen Mutter telefoniert wie in den letzten Wochen.“ Eine junge Nachbarin erledige für sie die Einkäufe. Das sei Ausdruck eines sozia- len, inneren Zusammenhalts. Aber wenn die wirtschaftliche Rezession komme, dann werde die Arbeitslosigkeit massiv steigen. Seifritz: „Und da gibt es eine klare Korrelation: Nehmen die Arbeits- losenzahlen zu, steigen auch die Suizid- raten.“ Schweizer Wissenschaftler rech- neten aufgrund diverser Erfahrungswerte infolge der Corona-Krise mit einer welt- weiten jährlichen Zunahme der Suizide um 10.000 Fälle und der Suizidversuche um 200.000 Fälle. Der Experte zeigt sich überzeugt, dass Einsamkeit nicht das Problem sei. Ein- schränkungen wie das Verbot von Kon- zerten oder Fußballspielen könne – zu- mindest bis zu einem gewissen Grad kompensiert werden – mit häufigerem Telefonieren oder sozialer Aufmerksam- keit im Wohnviertel. Eine Zunahme von Depression oder posttraumatischen Be- lastungsstörungen könne in der Schweiz derzeit nicht festgestellt werden. Aber die potenziell gefährliche Zeit komme noch, wenn die akute Bedrohung durch das Co- ronavirus nachlasse und die Leute sich damit auseinandersetzen müssen, keinen Job mehr zu haben. Für alle Menschen gelte: Sie hätten ihre Unbeschwertheit verloren – die Gewiss- heit, dass ihnen nichts passieren könne. Die Möglichkeit, sich „draußen“ unbe- merkt anstecken zu können, sei ein Ver- lust an Lebensqualität. Solche Dinge be- trübten alle. Zum Schluss noch ein Bonmot von Prof. Dr. Stefan Kühl, Deutschlands bekanntes- tem Organisationssoziologen. Er schrieb in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ vom 23. März 2020 den sozio- logisch brilliant formulierten (aber für die Normalbürger wohl eher befremdli- chen) Satz: „In der Krise wird deutlich, dass Schulen eine Funktion haben, die sonst eher weniger thematisiert wird – die Funktion einer Bewahranstalt für Kinder und Jugendliche, damit ihre Eltern die Möglichkeit haben, arbeiten zu gehen.“ Martin Pichler Geschlossener Nachtclub. In der Gastronomie drohen 70.000 Pleiten, wenn die Ausgangsbeschränkungen nicht schrittweise zurückgenommen werden können. Großraumbüro. Was wird aus den Büros, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Arbeit im Homeoffice funktioniert?

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