Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020
R wirtschaft + weiterbildung 05_2020 23 In den letzten Wochen gab es insbeson- der in den sozialen Medien viele Denkan- stöße, die gerade für Weiterbildungspro- fessionals wichtig waren. Sie regten dazu an, über die Veränderungen der Welt und zum Teil auch der Weiterbildungsszene nachzudenken, die durch die Corona- Krise auf uns zukommen werden – ohne dass sie jemand verordnet oder gar ge- plant hätte. 1 Matthias Horx und seine vier Szenarien Schon sehr früh – am 15. März – wagte sich der Zukunftsforscher und Trendbe- rater Matthias Horx vom Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main (www.zukunftsin- stitut.de) mit vier möglichen Zukunfts- szenarien aus der Deckung, die zeigen sollten, wie die Corona-Krise die Welt verändert. Szenario 1 geht davon aus, dass der Shut- down zur Normalität wird. Die „Super- Safe-Society“ definiert sich als eine Na- tion, die die Grenzen nach außen sichert. Die Wirtschaft erlahmt. Schwarzmarkt und der Tauschhandel florieren. Wer kann, zieht raus aus der Stadt, versorgt sich selbst. In der Wirklichkeit sind nur Events bis zu zehn Teilnehmern erlaubt. Die Sehnsucht nach Keimfreiheit führt dazu, dass sich die sozialen Kontakte in den virtuellen Raum verlagern. Szenario 2 ist genauso pessimistisch (aber globaler) wie Szenario 2 und sagt den „permanenten Krisenmodus“ voraus. Die nationalen Märkte schotten sich ab, es bleibt aber die Abhängigkeit von in- ternationalen Handelsbeziehungen und Warenströmen bestehen. Beide Tenden- zen stehen dauerhaft unvermittelt ne- beneinander und reiben sich. Predictive Analytics, die datenbasierte Vorausbe- rechnung menschlichen Verhaltens, wird in einer permanent verunsicherten Ge- sellschaft immer wichtiger. Szenario 3 trägt die Überschrift „Rück- zug ins Private“. „Nachhaltigkeit“ und „Wir-Kultur“ werden zu wichtigen Wer- ten, die aber nur lokal gedacht werden, nicht global. Die Angst vor Ansteckung hat einen Rückzug ins Private und die Wiederentdeckung der Häuslichkeit be- feuert. Großveranstaltungen gibt es prak- tisch nicht mehr. Mit seinen Nachbarn hat man Pläne erstellt, wie man sich im Krisenfall untereinander helfen kann. Die Wirtschaft funktioniert im Regionalen vollkommen autark. Die Corona-Krise hat sich als überraschender Treiber von New- Work-Trends erwiesen: Dadurch, dass Flexibilität am Arbeitsplatz aus der Not heraus ermöglicht wurde, haben sich Ar- beitskulturen (wie etwa durch das Home- office) dauerhaft verändert. In Szenario 4 bildet sich eine „resiliente Gesellschaft“ heraus. Die Weltgesellschaft lernt aus der Krise und entwickelt resili- ente Systeme, für die Wirtschaftswachs- tum aber nicht an erster Stelle steht – weg vom Massenkonsum und der Wegwerf- mentalität. Es bilden sich neue Konsum- muster heraus. Der Ausfall globaler Pro- duktions- und Handlungsketten hat zu einer Wiederentdeckung heimischer Al- ternativen geführt. Der stationäre Handel, regionale Produkte und regionale Liefer- ketten haben einen Aufschwung erlebt. Die Monopolstellung von globalen On- linehändlern hat sich aufgelöst. Trotzdem nimmt die Menschheit sich seit der Pan- demie stärker als globale Gemeinschaft wahr, die Herausforderungen gemeinsam lösen muss. Es ist eine globale Identität entstanden, getragen von einem funda- mentalen Wertewandel. Horx: „Das kon- tinuierliche Voneinander-Lernen in einer Vielzahl funktionierender Netzwerke schafft eine globale Resilienz.“ 2 Selbstvertrauen ist unerlässlich Klaus Eidenschink, DBVC-Senior-Coach aus München, nimmt (https://metathe- orie-der-veraenderung.info/2020/03/22/ vertrauen-oder-hoffnung/) di rekt Bezug auf den Text von Matthias Horx und deu- tet an, dass der Zukunftsforscher wohl zu sehr auf bessere Zeiten nach der Krise hoffe. Eidenschink regt an, beim Reden über die Zukunft einen Unterschied zwi- schen dem Hoffen beziehungsweise dem Vertrauen zu machen. Hoffen heißt für Eidenschink, gezielt darauf zu setzen, dass eine erwünschte Zukunft eintritt, weil der Lauf der Welt, das Schicksal, die Politik oder wer auch immer es richten werde. Der Hoffende fokussiert seine Aufmerksamkeit auf das „Außen“. Hoffnung ist Selbststabilisie- rung. Vertrauen heißt für Eidenschink, darauf zu setzen, dass man mit dem, was kommt, gut umgehen kann. Man weiß nicht, wie die Zukunft wird, aber man weiß, dass man zum richtigen Zeitpunkt die Probleme lösen wird. Diese Zuver- sicht schwindet etwas, wenn die ver- traute Welt sich radikal verändert. Die Vorteile von Vertrauen sind laut Ei- denschink erheblich, denn man geht davon aus, dass man in der Welt zu- rechtkommt – egal ob eine Krise gut oder schlecht endet. Aber: Wenn einem etwas misslingt, dann ist man in erster Linie enttäuscht von sich selbst. Eidenschink: „Dann braucht man zwangsläufig Ent- täuschungskompetenz. Diese zeigt sich immer darin, dass man auf Selbstvor- würfe und Anschuldigungen verzichten kann. Stattdessen braucht man die Fähig- keit zu trauern und zu bedauern.“ Wenn man sich selbst überschätzt habe oder eine Herausforderung einfach zu groß sei, dann lohne sich der Wechsel vom Selbstvertrauen zum Vertrauen in eine soziale Gemeinschaft. Rechtzeitig Schwäche zeigen und sich Hilfe holen sei leider nicht selbstverständlich. Eidenschink hält es letztlich aber für un- abdingbar, in einer Krise auf Selbstver- trauen zu setzen. Wer vor der Krise in die eigene Persönlichkeitsentwicklung in- vestiert habe, der ernte jetzt die Früchte. Grundsätzlich führe aber kein Weg daran vorbei, dass die Bewältigung einer Krise auch Opfer koste. Eidenschink: „Und zwar Opfer, die sich nicht schönreden las- sen, die keine Lernchancen sind, die ein- fach nur weh tun und Anlass für Schmerz und Trauer sind. Auch hier braucht es Vertrauen … das Vertrauen, dass man auch im Leid das Leben mag und lebens- wert findet.“ 3 Sich der Unberechenbar- keit der Zukunft stellen Zum Thema „Zukunftsszenario“ hat Janina Reitschmied, Beraterin mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, Customer Experience Management und Change Management bei der OSB inter- national in Wien, am 2. April einen in- teressanten Blogbeitrag (www.osb-i.com) geschrieben. Sie erläutert darin, dass ihr derzeitiges Beratungssetting besonders
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