Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 05_2020 seit Langem erhofft. Fast alle befragten Unternehmen (98 Prozent) sind jedenfalls davon überzeugt, dass die aktuelle Krise die Vorteile des Online-Lernens unter Be- weis stellt. Aber wo bleibt die Kompetenzentwicklung? Wenig begeistert vom Corona-Boom des E-Learnings ist Bernd Stelzer, Chef der Best Bildungs-GmbH in Waldkap- pel bei Kassel. Da E-Learning derzeit in der Regel nur Wissensvermittlung sei, könne man die Sache auch gleich bleiben lassen. Viele Personalentwickler seien sich immer noch nicht im Klaren darü- ber, dass Wissen im Berufsalltag nichts nütze. Die Mitarbeiter bräuchten echte Kompetenzen – das heißt, sie müssten in der Lage sein, die bei ihrer Arbeit auftre- tenden (neuen) Probleme lösen zu kön- nen. Die von Stelzer geforderte Kompetenz- entwicklung ist auch virtuell im Rahmen eines synchronen (!) E-Learnings möglich (siehe Infokasten auf der gegenüberlie- genden Seite), aber sehr aufwendig. Stel- zer ist Vertreter einer didaktischen Rich- tung, die unter anderem in dem Buch „So werden wir lernen! Kompetenzentwick- lung in einer Welt fühlender Computer, kluger Wolken und sinnsuchender Netze“ von den Deutschen Kompetenzpäpsten John Erpenbeck und Werner Sauter (Springer Verlag, Berlin 2013) ausformu- liert wurde. In ihrem Buch beschreiben Erpenbeck und Sauter die Zukunft der Kompetenzentwicklung im Jahr 2025: Lernen findet jetzt selbstorganisiert an realen Problemstellungen während der Arbeit statt, mit motivierten Lernenden, die ihre Probleme beheben möchten. Die Lernenden sind mit anderen Lernenden in virtuellen Realitäten vernetzt und tau- schen sich aus. Smarte „Human Compu- ter” werden in diesem Setting als Lern- begleiter eingesetzt. Sie analysieren bei- spielsweise das Handeln der Lernenden, bewerten es und geben Feedback. Weiterbildung im drei- dimensionalen „Learnspace“ Unter Personalentwicklern gilt die WBS Training AG in Berlin als vorbildlich in Sa- chen Kompetenzentwicklung. Deutsch- lands größer E-Learning-Anbieter (88,8 Millionen reiner E-Learning-Umsatz) hat sich nämlich im Jahr 2017 eine Plattform namens „Learnspace 3D“ zugelegt. Das ist eine virtuelle, dreidimensionale Schu- lungsumgebung, die Weiterbildung unter quasi realen Bedingungen ermöglicht, so wie es die Kompetenzentwickler einhellig fordern. Die Nutzer können einen individuellen Avatar erstellen und sich mit diesem in einem virtuellen Gebäude frei bewegen sowie in Echtzeit und mit anderen Kurs- teilnehmern interagieren und in Klein- gruppen Rollenspiele durchführen und Problemlösungsworkshops abhalten. Der „WBS Learnspace 3D“ wurde bereits mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem „HR Innovation Award“ der „Zu- kunft Personal Europe“ in Köln. Was ist von Privatzahlern zu erwarten? Privatleute nutzen zwar fleißig Skype und Facetime, aber sorgen sie auch als „Selbstzahler“ für zusätzlichen Umsatz bei den E-Learning-Anbietern und On- line-Akademien? Immerhin berichtete der „Spiegel“ unter Bezug auf eine Ver- braucherumfrage der Unternehmensbe- ratung McKinsey, dass 30 Prozent der Deutschen in der Corona-Krise erstmals einen Online-Kurs im Gesundheits- und Fitness-Bereich ausprobiert hätten – bei- spielsweise Yoga per Livestream. Aller- dings waren diese Angebote durchgehend kostenlos. Wenn es an den Geldbeutel geht, dürfte die Sache anders aussehen: Die Schwei- zer Direktbank „Postfinance“ hat von Mitte März bis Mitte April 2020 das Ein- kaufsverhalten ihrer 2,7 Millionen Kun- den (via Postfinance-Card und via Inter- netabrechnungen) beobachtet und fest- gestellt, dass die Ausgaben der Privaten für Aus- und Weiterbildung (Fachbücher, Fachzeitschriften, Kursgebühren, Inter- net-Abos) um fast 20 Prozent gesunken sind. Die Bank meint dazu: „In der Krise denkt man kurzfristig und nicht langfris­ tig und muss seine Liquidität schonen.“ Martin Pichler R Bernd Stelzer. Der Blended-Learning- Experte hat mehr als 20 Jahre Erfahrung mit über 7.500 Webinaren und virtuellen Klassenräumen. Foto: Best Bildungs-GmbH Dr. Ulrich Schmid. Er ist der geschäftsfüh- rende Gesellschafter des MMB Instituts, einer GmbH mit Sitz in Essen. Dr. Lutz Goertz. Er ist der Leiter MMB- Bildungsforschung und zusammen mit Dr. Schmid Autor der zitierten Blitzumfrage. Fotos: MMB

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