Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020
wirtschaft + weiterbildung 05_2020 15 eine Vielzahl von solchen Wegen an, aus unterschiedlichsten Kontexten. „Wahre Religion kennt keine Grenzen, es gibt nicht meine und deine Religion“, war Pater Willigis überzeugt. „Des- halb ist der Benediktushof überreligiös und überkonfessionell, hierher kommen Menschen mit oder ohne Glaubenshinter- grund, aus unterschiedlichsten Motiven. Aber alle suchen nach der Erfahrung der Wirklichkeit, und Wege dorthin werden hier gelehrt.“ „Sterben heißt zurückkehren“ Über den Tod sagte der Zen-Meister und Christ: „Alt werden ist auch eine Lebensaufgabe, wie auch das Sterben. Es ist die Voll- endung der Geburt. Die Form, die ich bei der Geburt angenom- men habe, löst sich irgendwann wieder auf und sinkt zurück in den Ozean des Daseins, von dem sie niemals getrennt war, wie die Welle niemals vom Meer getrennt ist.“ Den „Ozean des Daseins“ könnte man auch „das Göttliche in allem“ nennen. Im Wesentlichen ging es Pater Willigis darum, dass man in der Meditation den „nicht beschreibbaren Hintergrund aller Religionen“ erfahre. Die Idee, dass Gott kein Wesen sei, zu dem man als Mensch in eine Ich-Du-Beziehung treten könne, steht im Widerspruch zu der christlichen Lehre. Unter Leitung des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger im Jahr 2001 warf die Glaubenskongregation dem Pater vor, Glaubenswahrheiten der persönlichen Erfah- rung unterzuordnen, und erteilte ihm ein Rede-, Schreib- und Auftrittsverbot. Im Januar 2002 untersagte ihm deshalb das Bischöfliche Ordinariat in Würzburg die Ausübung jeder öf- fentlichen Tätigkeit. Jäger beanspruchte dagegen für sich wei- terhin das Recht, alte Glaubenswahrheiten für die Gegenwart neu zu deuten. Für Willigis Jäger war klar, dass Meditation und Spiritualität zu Erfahrungen führen, die sich im Alltag bewähren müssen. „Der Weg nach innen ist der Weg nach außen“, lautet der Anspruch. „Eine echte Mystik ist weltbejahend.“ Die Arbeit gilt demnach als Test für unsere Spiritualität. In ihr zeige sich, ob man spiri- tuell sei oder nicht. Mystiker warten nicht auf das Jenseits Der transkonfessionelle Mystiker im Sinne Jägers wartet nicht auf das Jenseits oder eine „bessere Wiedergeburt“. Jede Vollen- dung liegt im Hier und Jetzt. Um für eine bessere Welt zu sor- gen, lohnt es sich laut Pater Willigis auch, zu beten: „Wer für jemanden in Liebe und Wohlwollen betet, der aktiviert Ener gien des Heilens und Helfens. Es sind nichtpersonale Energien. Es sind kosmische Energien.“ Der Ökonom Peter Bofinger sagte einmal über Pater Willigis Jäger: „Aus der Leere des Nichts wurde die Fülle des Daseins. Dafür bin ich Willigis sehr dankbar.“ Martin Pichler Willigis Jäger. Er zeigte Wege auf, spirituelle Grund- erfahrungen jenseits aller Religionen zu machen. Foto: Imago
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==