Wirtschaft + Weiterbildung 5/2020

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 05_2020 Viele Trainer und Berater bearbeiten ihren Markt ohne eine Marketingstrategie. Das zeigt sich beson- ders deutlich in der aktuellen Krise, in der viele nur noch panisch reagieren. So werde ich zum Bei- spiel seit Wochen von Beratern dazu aufgefordert, kostenlos an irgendwelchen Webinaren und Online- Coachings teilzunehmen, die sie nur anbieten, um in der Krise ihre „Solidarität“ mit mir zu zeigen. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um Berater, bei denen ich, wenn ich mir ihre Webseiten anschaue, den Eindruck habe, dass sie über Nacht ins digitale Zeitalter katapultiert wurden, denn dort findet man von ihren Onlineaktivitäten noch keine Spur. Und schaue ich mir die Themen der Webinare und Online-Coachings an, dann drehen sich mindestens 95 Prozent von ihnen – nahezu gleichlautend – um die drei Themen „Remote-Office“, „Virtuelle Teams führen“ und „Krise als Chance nutzen“ (wobei ich sicher bin, dass das Gros der Absender den Begriff „Remote-Office“ vor vier Wochen noch gar nicht kannte). Alle anderen Themen hingegen, die vor der Krise en vogue waren, wie digitale Transformation, Agilität oder New Work, sind plötzlich wie wegge- wischt. Dabei sind Themen wie „Digitale Transformation der Wirtschaft“ durch die Krise gerade besonders dringlich geworden. Und das Thema Agilität? Wann mussten die Unternehmen agiler agieren als jetzt in Zeiten, in denen sie nicht wissen, was das Morgen bringt? Wann mussten sie bei ihrer Strategieent- wicklung und Strategieumsetzung inkrementeller und iterativer vorgehen als in der momentanen Krise, in der niemand zumindest deren mittel- und langfristige Folgen abschätzen kann? Insofern könnte man auch „Problemlösungen“ in diesem Bereich gut verkaufen, sofern man die aus der Krise resultierenden Herausforderungen sauber analysie- ren und hierauf aufbauend kleine smarte Türöffner- produkte schmieden würde, die dem akuten Bedarf entsprächen, denn klar ist: Krisenzeiten sind keine Zeiten, um Großaufträge an Land zu ziehen; sie eignen sich jedoch ideal, um bei Neukunden einen kleinen Erstauftrag zu ergattern. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema „New Work“. Das, worüber in den letzten Jahren so viel geredet wurde, wird jetzt in der Krisenzeit praktiziert: • Die Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus, • sie versuchen sich, eine „Work-Life-Balance“ zu schaffen, die neben ihrer Arbeit zum Beispiel auch eine Betreuung ihrer Kinder ermöglicht, • sie kommunizieren verstärkt digital und nutzen die existierenden Collaboration-Tools. Also hätten New-Work-Berater jetzt die Chance, Neukunden zu finden. Nach der Krise werden sich viele Angestellte fragen: „Warum soll ich künftig wie- der von 9 bis 17 Uhr ins Büro gehen?“ Doch diese Chance nutzen die meisten Berater nicht. Statt- dessen verschicken sie wie eine panische Hammelherde irgendwelche Mails, in denen sie von der Krise als Chance pala- vern und den Unternehmen weitgehend dasselbe als „Problemlösung“ anbieten. Sie fragen sich nicht, wo die Zielkunden sind, vor welchen Herausforderungen sie stehen, was man auf der Basis seiner Positionierung den Zielkunden anbieten könnte. Ich will keine Generalabrechnung mit der Beraterzunft machen, der ich mich sehr verbunden fühle. Vielmehr möchte ich einen Appell loswerden: Leute, formuliert endlich smarte, weil Eurem Geschäftsfeld entsprechende Problemlö- sungen. Und lauft nicht mit der Hammelherde mit! Trainer und Berater! Lauft doch nicht mit der Hammelherde mit! „ „ Gastkommentar So wird die Krise vielleicht zur Chance Bernhard Kuntz Bernhard Kuntz ist der Gründer und Inhaber der Agentur „Die Profilberater GmbH“, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim (Online-)Marketing unter- stützt. Er ist Autor unter anderem der Bücher „Die Katze im Sack verkaufen“, „Fette Beute für Trainer und Berater“ und „Warum kennt den jeder?“. www.die-profilberater.de

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