Wirtschaft u. Weiterbildung 7-8/2020
wirtschaft + weiterbildung 07/08_2020 49 den, dass manche Mitarbeitergruppen „schon wieder regulär arbeiten dürfen und ihr volles Gehalt nebst Schichtzula- gen bekommen, während andere noch zu Hause Däumchen drehen und nur Kurz- arbeitergeld beziehen“. Sein Fazit: „Die Leute brauchen das Geld. Sie wollen ar- beiten.“ Nach dem Telefonat berichte ich meiner Mitarbeiterin und Kollegin, der Wirtschaftspsychologin Meike Silaghi, die mich auch beim Marketing und der Kundenbetreuung unterstützt, von den beiden Gesprächen. Ihre Antwort: „Das deckt sich mit meinen Erfahrungen in den vergangenen Wochen. Echt wichtig, dass wir bei der Kundenansprache stets im Hinterkopf haben, wie unterschiedlich aktuell deren Situation und somit Bedarf ist.“ Wie recht sie damit hat! 8. Juni: Ich kümmere mich zu Hause mal wieder um unsere Jungs. Jakob, 10 Jahre, geht zwar wieder zur Schule, doch eine Nachmittagsbetreuung gibt es nicht. Und die Kita unseres Jüngsten? Sie ist noch geschlossen. Also halte ich die Stellung, wenn meine Frau als Coach im Einsatz ist. Ihr Business läuft gut. Fast könnte man sagen, sie ist eine Krisengewinne- rin. Durch die Krise gewann sie neue Kunden in der regionalen Hotellerie und Gastronomie sowie in der Tourismus industrie, die in einer Zeit, in der es zum Beispiel keine Weinfeste mehr gibt, ihre Geschäfts- und Vermarktungsstrategien überdenken müssen. Außerdem erwuch- sen bei einigen ihrer Stammkunden aus den coronabedingten beruflichen und un- ternehmerischen Problemen auch private Probleme – zum Beispiel im Beziehungs- bereich. 14. Juni: Es ist Sonntag. Meine Frau hirnt mit mir darüber, wie wir in der kommen- den Woche die Betreuung unserer Jungs gewährleisten können. Sie hat zahlreiche Coaching-Termine und ich falle von Mon- tag bis Mittwoch als „Betreuer“ aus. Der Grund: Ich halte dann mein erstes drei- tägiges Seminar für einen Stammkunden nach dem Lockdown, bei dem ich auf- grund der Entfernung auch im Tagungs- hotel übernachte. In den zurückliegenden Monaten, in denen ich weitgehend in un- serem Büro arbeitete, war die Kinderbe- treuung nach gewissen Startschwierigkei- ten kein Problem. Doch in den nächsten Wochen, wenn meine Reisetätigkeit wie- der zunimmt, wird sie dies werden. Auf meine Frau kommt definitiv eine stressige Woche zu. Also schnappe ich mir unsere Jungs und gehe mit ihnen auf den Neu- städter Hausberg, damit meine Frau einen ruhigen Nachmittag hat. Haben wir eigentlich „Geschichte“ erlebt? 17. Juni: Dieser Tag ist ein historischer Tag. Er war bis 1990 (also bis ein Jahr nach dem Mauerfall) der Tag der deut- schen Einheit. Es ist fast elf Uhr abends. Ich bin von meiner Seminartour gerade zurückgekehrt. Das Seminar lief gut, und es hat Spaß gemacht, meine Kunden mal wieder „live“ zu treffen. Ich sitze mit meiner Frau auf dem Sofa bei einem Glas Wein. Unsere Jungs schlafen. Wir sind beide hundemüde – ich auch aufgrund der 3,5-stündigen Autofahrt nach dem Seminar. „Wie gemütlich war doch die Lockdown-Zeit, als wir beide abends fast regelmäßig gemeinsam zur Tagesschau vor dem Fernseher saßen“, sage ich halb ironisch, halb ernst zu meiner Frau. Wir lachen beide. „Wie werden wir als Ge- sellschaft in 30 Jahren über Corona den- ken?“, frage ich mich. Die Antwort weiß ich nicht. Ich weiß nur, die Zeit nach dem Mauerfall und der deutschen Wiederver- einigung sowie die staatlichen Maßnah- men, die damals ergriffen wurden, wer- den auch heute noch sehr unterschiedlich bewertet. Ähnlich wird es vermutlich auch beim Thema Corona sein. Klaus Doll Endlich Präsenz? Am Ende des ersten Präsenztrainings nach dem Lockdown meinten Dolls Teilnehmer: „Das hätte wir auch online gut hingebracht“. Papa spendiert Pommes. Den bei- den Jungs scheint es zu schmecken.
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