Wirtschaft u. Weiterbildung 7-8/2020

R wirtschaft + weiterbildung 07/08_2020 25 weisen. Die Auseinandersetzung mit diesen systemischen, kurzzeittherapeu- tischen Ansätzen bildete zusammen mit der ressourcenorientierten Sichtweise von Milton Erickson den fruchtbaren Boden für eine weitere Entwicklung, die dann in das Brief Family Therapy Center (BFTC) mündete, welches 1978 von Steve de Shazer, Insoo Kim Berg und anderen gegründet wurde. Ziel des BFTC war es, möglichst effektive und effiziente Wege zu finden, um Klienten zu helfen. Dabei stellte sich sehr bald eine Erkenntnis ein, die den BFTC-Ansatz von allen eta- blierten Therapieansätzen unterschied: Interventionen, die zur Lösung führen, müssen nichts mit den Ursachen der Kli- entenprobleme zu tun haben. Probleme können kompliziert und vielschich- tig sein, sie können eine lange Historie haben und sehr schwerwiegend sein. All das bedeutet aber nach Auffassung der Lösungsfokussierten nicht, dass die Inter- ventionen, die zu einer Verbesserung der Situation führen, ebenfalls kompliziert oder vielschichtig sein müssen. Steve de Shazer nutzte zur Erläuterung dieses Sachverhalts das Bild eines Diet- richs. Das Problem ist in diesem Bild ein kompliziertes Schloss, welches die Kli- enten mit den ihnen zur Verfügung ste- henden Mitteln nicht öffnen können. Die Lösung liege aber nicht im Schloss (Pro- blem) verborgen, sondern in der Verwen- dung des passenden Schlüssels. Doch um das komplizierte Schloss zu öffnen, brau- che es nicht einen ebenso komplizierten Schlüssel, sondern es reiche ein Dietrich, der dieses Schloss öffnen kann. Genau dieser Verzicht auf eine Problemanalyse unterscheidet den Lösungsfokussierten Ansatz – in kontroverser Weise – von fast allen anderen Therapie- und Coaching- Ansätzen, die davon ausgehen, dass die Problemanalyse ein wichtiger und unver- zichtbarer Teil der Veränderungsarbeit ist. Nur nicht auf Lösungen fokussieren! Der Lösungsfokussierte Ansatz fokussiert nicht auf Lösungen, da es sich bei einer Lösung ja immer um die Lösung eines Problems handelt. Der Klient wird zu Be- ginn des Coachings nicht einmal gefragt „Was führt Sie zu mir?“ oder „Was ist Ihr Anliegen?“, weil dies automatisch dazu ermuntert, dass der Klient sein Problem schildert – so wie er dies wahrscheinlich schon häufig gegenüber Freunden oder Kollegen getan hat. Im Lösungsfokussier- ten Ansatz hält man dies für nicht ziel- führend und nicht hilfreich – vor allem aber für überflüssig. Daher lautet die erste Frage häufig: „Was ist Ihre kühnste Hoffnung in Bezug auf das Ergebnis unse- rer Zusammenarbeit?“. Es wird also direkt nach der erwünschten Zukunft des Klien- ten gefragt. Der Lösungsfokussierte An- satz nimmt die erwünschte Zukunft als Ausgangspunkt für das weitere Coaching. Wenn diese erwünschte Zukunft erreicht wird, dann hat sich die Auseinanderset- zung mit dem Problem in der Regel wie von allein erledigt. Verstärkung positiver Verhaltensweisen sinnvoll Lösungsfokussiert heißt also nicht, dass der Klient darin unterstützt wird, Lö- sungen für seine Probleme in ressour- cenorientierter Art und Weise zu finden, sondern ihm zu helfen, ein möglichst konkretes Bild von seiner erwünschten Zukunft zu entwickeln. Durch die detail- lierte Beschreibung – das „Ausmalen des Bildes“ – vergrößert der Klient die Wahr- scheinlichkeit, diese auch zu erreichen. Der Coach unterstützt dabei den Klien- ten bei Bedarf mit Fragen, sich seiner Möglichkeiten bewusst zu werden, denn häufig sind Klienten durch ihre Sicht auf das Problem von den eigenen Ressourcen abgeschnitten und nicht dazu in der Lage, zu erkennen, welche Kompetenzen sie zur Verfügung haben. Im Lösungsfokussierten Ansatz wird die Aufmerksamkeit des Klienten daher auf jene Verhaltensweisen gelenkt, die be- reits funktionieren, um eine Verstärkung dieser positiven Verhaltensweisen zu erzielen. Je klarer das Bild des Klienten von seinem Ziel und auch von seinen Ressourcen ist, desto eher findet er darin eigenständig die passenden Entwick- lungsimpulse für die Gestaltung seiner erwünschten Zukunft. Die Vergangenheit gibt nach Auffassung des Lösungsfokussierten Ansatzes nicht vor, wie die Zukunft des Klienten auszu- sehen hat. Hilfreiche Impulse zur eigenen Entwicklung findet der Klient nach die- ser Auffassung in der möglichst klaren Beschreibung der eigenen Zukunft, die als etwas Geschaffenes verstanden wird. Diese radikale Art der Zukunftsorientie- rung ist ebenfalls etwas, was das lösungs- fokussierte Vorgehen von vielen anderen Coaching-Ansätzen unterscheidet. An- dere Ansätze legen oft ein stärkeres Ge- wicht auf den gegenwärtigen Kontext der

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