Wirtschaft u. Weiterbildung 7-8/2020
titelthema 18 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2020 04. ... warum Spazierengehen oder Wandern beim Nachdenken hilft 05. ... mit welchem Hörbuch man sich gleich drei Bestseller einverleiben kann 06. ... warum der berühmte Kets de Vries die Welt der Manager für recht verrückt hält hat sich gleichzeitig in Richtung „syste- misches“ Denken weiterentwickelt. Über- raschenderweise gelingt es Sprenger viel besser als allen systemischen Organisati- onssoziologen, die wesentlichen Zusam- menhänge dieser Zunft in einer leicht zu verstehenden Alltagssprache auszudrü- cken. Legendär ist seine Formulierung, statt von der Vuca-Welt von der „Durch- einander-Welt“ zu sprechen. So wurde er nicht nur zu einem unterhaltsamen Autor, sondern auch noch zum Vorbild für alle, die von „unentscheidbaren Entschei- dungen“ reden und sich wundern, dass sie nicht verstanden werden. Sprenger erklärt „unentscheidbare Ent- scheidungen“ mit dem Unterschied zwi- schen Wahl und Entscheidung. Eine Wahl basiert auf Fakten. Irgendwann neigt sich die Waage zu einer Seite und die Alter- native mit den errechneten (!) meisten Pluspunkten wird gewählt. Bei einer Ent- scheidung stehen mehrere gleichwertige Alternativen zur Auswahl an: Pest oder Cholera, Skylla oder Charybdis. Für jede Alternative gibt es genauso viele und gute Gründe dafür wie dagegen. Damit man aus der Stagnation herauskommt, muss jemand irgendwann einmal sagen, wie es weitergeht: Die zu treffende Entscheidung kann richtig oder falsch sein – man wird es erst in der Zukunft wissen. Sprenger: „Es gibt kein Paralleluniversum, in dem man eine alternative Entscheidung probeweise durchspielen könnte. Man muss springen, ohne zu wissen, wo man landet.“ Wenn es gleichwertige Alternativen gibt, dann muss im Kontext eines Business- Unternehmens eine Führungskraft her und entscheiden – sie muss bestimmen, wie es weitergeht und dabei macht sie sich schuldig – nämlich aus Sicht jener, die anders entschieden hätten. Die Führungs- kraft sagt: „Ich weiß auch nicht, welche Entscheidung richtig ist. Kein Mensch kann das wissen. Aber der Markt wartet leider nicht, bis wir mit dem Analysieren fertig sind.“ Und Sprenger leitet daraus ab: „Führung zieht ihre Existenzberechti- gung aus der Entscheidung. Nicht aus der Wahl.“ Die Sehnsucht nach Eindeutigkeit erweist sich in diesem Zusammenhang als Illusion. Wer mehr von Springers Formulierungs- künsten profitieren will, sollte seinen Auf- satz „Fünf Lektionen für Entscheider in der Corona-Krise“ im „Cicero“ (5/2020) lesen oder sein Buch „Magie des Kon- flikts“ studieren. In beiden geht es um ein systemisches Führungsverständnis. In seinem neuesten Buch über Konflikte geht es, wie nicht anders zu erwarten, selbstverständlich auch um das Thema „Führung“ – natürlich mit einem brei- ten Bezug zum Thema „Konflikt“. Füh- rungskräfte sollten demnach keinesfalls Konflikte meiden, sondern sie als einen Entwicklungsturbo nutzen, der Reife, Fortschritt und Erfolg in einer Organisa- tion ermöglicht. Wer in einem Unternehmen Konflikte löst, der zerstört es. Der Konflikt zwi- schen zwei Abteilungen (Vertrieb/Mar- keting oder Marketing/Controlling) ist überlebensnotwendig, weil er verschie- dene Logiken austariert. Der Marketing- mann hält den Controller in der Regel für eine Krämerseele und der Conroller den Marketingmann für einen Geldvernichter. Wichtig ist, dass es einen Chef gibt, der je nach Situation mal pro Marketing und mal pro Controlling entscheidet, aber nie eine Seite endgültig gewinnen lässt. Wichtig ist auch, dass sich alle diesem In- tegrationsverfahren unterwerfen und die Entscheidungen des Chefs akzeptieren. Konflikte sind nützlich Vor mehr als 20 Jahren landete Reinhard K. Sprenger mit seinem Buch „Mythos Motivation“ den „epochalen Klassiker“ (Handelsblatt) der deutschen Manage- mentliteratur. Die Botschaft: Alles Moti- vieren ist Demotivieren. Belobigen, Be- lohnen, Bestechen, Bedrohen, Bestrafen – alles, was in Unternehmen an Tricks und Kniffen zur Mitarbeitermotivation prakti- ziert wird, ist kontraproduktiv. Die Men- schen können sich nur selbst motivieren und ihre Chefs sollten ihnen dabei nicht imWeg herumstehen. In der Zwischenzeit hat Sprenger noch zwölf weitere Managementbestseller ge- schrieben. Er ist „seinen“ Themen wie Selbstverantwortung, Eigeninitiative, Mo- tivation oder Vertrauen treu geblieben und Reinhard K. Sprenger: „Magie des Konflikts. Warum ihn jeder braucht und wie er uns weiterbringt“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2020, 320 Seiten, 24,00 Euro
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