Wirtschaft und Weiterbildung 9/2020

training und coaching 46 wirtschaft + weiterbildung 09_2020 Geldvermögen) ist seltener, kommt aber zum Beispiel bei jungen Haushalten mit stark fremdfinanziertem Eigenheimbesitz vor. Da sollte lieber keine deflationäre Phase kommen. Welche Verteilung zwi- schen Geld- und Sachvermögen für Sie und Ihre Lebenssituation angemessen ist, finden Sie am schnellsten heraus, indem Sie eine ungefähre Privatbilanz Ihrer Re- serven und auch Schulden anfertigen. Ein leicht zu handhabendes Excel-Werkzeug, welches Sie zur Erstellung Ihrer persönli- chen Privatbilanz nutzen können, finden Sie kostenlos und werbefrei unter diesem Link: https://schliesslich-ist-es-ihr-geld. de/arbeitshilfen/ihre-finanzen-fest-im- griff/. 2. Sie sollten die unvermeidlichen An- lagerisiken möglichst breit streuen und nicht alles auf eine Karte setzen. Fach- leute nennen das Diversifikation und bildhaft gesprochen könnte man es auch als „Tausendfüßlerstrategie“ bezeichnen. Ein Tausendfüßler fällt eben nicht gleich hin, wenn mal ein Fuß ausrutscht. Die Empfehlung der Streuung gilt nicht nur über verschiedene Anlageklassen hin- weg (also zum Beispiel Bargeld, Aktien, Anleihen, Gold, Rohstoffe, Immobilien), sondern voll und ganz auch innerhalb jeder Anlageklasse. Es ist also empfeh- lenswert, in einen oder wenige preiswerte und transparente börsengehandelten In- dexfonds (ETFs) einfach und kostenarm zu investieren. Die hohen Einzelrisiken (=Klumpenrisiken) von Einzelanlagen lassen sich somit vermeiden. Gerade in krisenhaften Zeiten ist Diversifikation besonders wertvoll und ermöglicht eine erheblich höhere Robustheit von Anlage und Vorsorge. 3. Sie sollten weder sparen noch speku- lieren, sondern ganz nach dem Motto „in der Ruhe liegt die Kraft“ möglichst lang- fristig, besonnen und mit einem geringen Aktivitätsniveau (also wenig Transaktio- nen) investieren. Häufiges Umentschei- den, kurzzyklische Käufe und Verkäufe schädigen Sie und nutzen nur den betei- ligten Finanzdienstleistern durch verein- nahmte Kosten und Gebühren. Bedenken Sie den alten Börsianerspott: „hin und her – Taschen leer.“ Für Spekulation sprechen lediglich emoti- onale und irrationale Gründe. Langfristig ist der zu erwartende Spekulationsge- winn jedoch selbst vor Kosten Null, da der Gewinn des einen dem Verlust des an- deren entsprechen muss. Holen Sie sich Ihren „Kick“ lieber an anderer Stelle und versuchen Sie nicht, den Markt zu schla- gen. Sondern seien Sie zufrieden, wenn der Markt Sie nicht schlägt. Die am Markt erzielbare Rendite mit möglichst geringen Kosten „abzupflücken“, ist daher das Ziel eines klugen Langfristinvestors. Noch ein Satz zum zinslosen Sparen im Geldver- mögen. Das hat seine Berechtigung, so- lange es sich um Ihre Liquiditätsreserve handelt. Deren Minimum wird häufig auf den Geldbedarf von mindestens drei Mo- naten beziffert. Bei Freiberuflern würde ich erheblich mehr empfehlen – mindes- tens das doppelte. Eine genauere Aussage ist natürlich nur möglich, wenn man Ihr Geschäftsmodell, Ihre Fixkosten und Ihre sonstige Lebenssituation in allen Einzel- heiten kennt. 4. Sie sollten möglichst wenig Schulden anhäufen, auch wenn die Zinsen gering oder sogar Null sind, denn die Rück- zahlung von Schulden kann gerade in Krisenzeiten sehr schwer fallen. Nicht nur Konsumschulden machen im Fall einer Finanzkrise unnötig verwundbar. Auch der Erwerb von Aktien oder an- deren Anlagen auf Kredit verringert die persönliche Robustheit. Selbst wenn um Sie herum Dritte immer mehr Schulden machen (andere Private, aber auch Un- ternehmen und der Staat), sollten Sie sich nicht „anstecken“ lassen. Ihr heutiges Einkommen könnte bei einer Verschär- fung des Finanzcrashs wegbrechen und die Deckung der Rückzahlungsverpflich- tungen gefährden. Das macht unfrei. Es geht um Robustheit Schulden entpuppen sich als immer grö- ßer werdende Last, wenn sich die Wirt- schaft in ein Deflationsszenario oder sogar eine Deflationsspirale begibt. Diese Möglichkeit kann ebenso wenig aus- geschlossen werden wie ein Inflations­ szenario. Corona ist ein Beispiel dafür, wie auch wirtschaftliche Folgerisiken völ- lig unerwartet auftauchen können. 5. Schließlich rate ich, nicht auf ein ganz bestimmtes Szenario zu setzen – das heißt Ihr Anlageverhalten auf eine be- stimmte Entwicklung wie Inflation oder Deflation auszurichten. Beispielsweise kann niemand vorhersagen, ob eine aktu- ell noch eher latent wirkende Finanzkrise in zwei Monaten oder erst in fünf Jahren zum Ausbruch kommt. Und ob dann eher eine starke Inflation (Hyperinflation) oder aber eine Deflation eintreten wird. Im Wesentlichen kommt es auf die Stärkung Ihrer wirtschaftlichen Robustheit an. Es soll Ihnen gut oder schlechtestenfalls „ordentlich“ gehen – ganz unabhängig davon, welche wirtschaftliche Entwick- lung in der Zukunft eintreten wird. Hartmut Walz R Fachhochschule Ludwigshafen. Hartmut Walz liebte insbesondere in der Zeit vor Corona den engen Austausch mit jungen Menschen überer seine Vorlesungen.

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