Wirtschaft und Weiterbildung 9/2020
wirtschaft + weiterbildung 09_2020 39 Durchführung, abgestimmten Verfahren und aktivem Austausch der Lernenden über einen längeren Zeitraum hinweg kann das Remote-Training passable Er- gebnisse hervorrufen. Unter anderem Südafrika betont dabei die Wichtigkeit von Interaktionen unter den Teilnehmern und mit einem Coach, der für Lernmotivation und Nachhal- tigkeit sorgt. Blended Learning funkti- oniert demnach so wie das Lesen eines Selbsthilfebuchs: Interessierte kaufen sich einen Ratgeber – Zum Beispiel zum Thema „Sales“. Wer seine Ergebnisse im Verkauf wirklich verbessern will, arbeitet eigenständig. Er liest, unterstreicht, klebt Zettel ein, macht sich Notizen und mar- kiert Inhalte, auf die er in Gesprächen mit Kollegen oder mit seinem Vorgesetzten Bezug nehmen will. Wer im Buch keinen Mehrwert findet, hört auf zu lesen. Es landet im Papierkorb. Beim On-Demand- Lernen ist es genauso. Auf lange Sicht hängt die Wirkung von der Kompetenz des Moderators und einem wirksamen di- daktischen Konzept ab. Selbstverantwortliches Lernen als Schlüssel zur Zukunft Ganz gleich in welchem Land Dale Carne- gie auf den Markt schaut: Das Onlinetrai- ning ist in Zukunft nicht mehr wegzuden- ken. Dennoch ist es kein Ersatz für das Face-to-Face-Programm. Virtuelle Trai- nings können in Wert und Wirkung nicht mithalten. Corona hat es noch mal vor Augen geführt: Menschen sind hungrig nach persönlicher Verbindung! Aufgabe der Weiterbildungsexperten ist jetzt, die virtuelle Interaktion weiterzuentwickeln, sie in bestehende Schulungsmodelle zu integrieren und immer differenzierter dem menschlichen Lernverhalten an- zupassen. Die Schwierigkeit liegt nicht mehr in der Technik – die wird sich stetig verfeinern – sondern darin, das selbstver- antwortliche Lernen zu fördern und zu begleiten. Die DC-Kollegen in Großbritannien gehen davon aus, dass zentralisierte Ausbil- dungsprogramme, vorgegeben von Un- ternehmen, an Bedeutung verlieren wer- den. Die Arbeitgeber werden sich auf die Neigungen der jüngeren Generationen zum selbstgesteuerten Lernen einrich- ten. Mitarbeiter werden beim Thema „Lernen“ Zielvorgaben erhalten, die an Beförderung, Bezahlung oder andere An- reize gebunden sind. Die Verantwortung für die Entwicklung und den Nachweis einer (neu erworbenen) Kompetenz wird beim Einzelnen liegen. Dies verbindet den Wunsch des Individuums nach Wahl- möglichkeiten mit demWunsch der Orga- nisation, nur die engagierten Mitarbeiter zu fördern. Schweden setzt zurzeit auf beides: Hier bietet Dale Carnegie sowohl zentralisierte Unternehmenslösungen als auch offene Seminare oder eine Mischung aus bei- den an. In Südafrika spüren die Trainer ebenfalls einen klaren Trend zur Digitali- sierung und befürchten gleichzeitig, dass das Onlinelernen überschätzt wird. Ihre Empfehlung: Auch wenn einige Kompo- nenten des Lernens digital funktionieren wie Produktwissen- oder Prozesstraining, irgendwann muss Lernen moderiert wer- den und bedarf einer Überprüfung. Ein Chirurg kann sich das richtige Operieren theoretisch auch über Youtube-Videos an- eignen. Wenn der Professor die Technik aber nicht mindestens monatlich bewer- tet und den Lernenden anleitet, verlän- gert sich seine Ausbildung unnötig und er erreicht ein schwächeres Kompetenz- niveau. Daher setzt Dale Carnegie South Africa auf eine monatliche „Nachhilfe- sitzung“ zur Unterstützung – sowohl im Präsenzkonzept als auch in der digitalen Lernwelt. Das schafft Engagement und si- chert die Bindung. In Island hat Dale Carnegie bereits einige Aufträge an Onlineanbieter verloren. Die Entwicklung zu Blended-Learning-An- geboten war dort bereits vor mehreren Jahren deutlich erkennbar – angetrieben durch den Trend zu „New Work“. Die Pandemie hat diesen Trend beschleunigt. Dale Carnegie USA erwarten hingegen, dass der Online-Peak überschritten ist und die Nachfrage nach digitale On-De- mand-Produkten nicht weiter zunehmen wird. Die US-Amerikaner prognostizieren, dass „Virtual Reality“ stattdessen in naher Zukunft einen festen Platz in der berufli- chen Aus- und Weiterbildung einnehmen wird. Das englische DC-Office ergänzt: „Der physische Standort von Talenten wird in Zukunft an Bedeutung verlie- ren, da die Akzeptanz von Remote Work durch Corona gestiegen ist. Zentrale He rausforderung wird sein, als Führungs- kraft eine virtuelle Belegschaft zu führen und zu motivieren.“ Uwe Göthert
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