Wirtschaft und Weiterbildung 9/2020
personal- und organisationsentwicklung 32 wirtschaft + weiterbildung 09_2020 Psychologen gezeigt. Sie haben aber nicht gefunden, dass Führungskräfte generell psychopathischer sind. Ich glaube allerdings, dass Psychopathen früher auch einfacher in Toppositionen aufsteigen konnten. Da herrschte, gerade in den USA, noch eine andere Geschäftskultur. Heute haben wir eine offenere Kultur und in den Unternehmen schaut man genauer hin. Lässt sich ein Psychopath so einfach erkennen, wie es zahlreiche selbsternannte Experten in ihren „Keynote-Vorträgen“ suggerieren? Schwarzinger: Nein! Das ist auch ein Grund, warum wir dazu forschen und unter Leitung von Professor Heinz Schu- ler an der Universität Hohenheim das Verfahren „Dark Triad of Personality at Work“ (kurz TOP) entwickelt haben. Die plakative Benutzung dieser Merk- male ist falsch und problematisch. Wer glaubt, er könne einen Narzissten an der Nase erkennen und ihn daher nicht ein- stellt oder einen Mitarbeiter rauswirft, weil er angeblich ein Psychopath ist, tut diesen Menschen unrecht. Das ist nicht nur wissenschaftlich Unsinn, sondern auch ethisch nicht vertretbar. Hier sollten Personalverantwortliche mehr Sorgfalt walten lassen und auf belastbare, wissen- schaftlich haltbare Ergebnisse setzen. Und dabei hilft dann Ihr Verfahren namens „TOP“? Schwarzinger: Als wir das Verfahren entwickelt haben, gab es weltweit kein anderes berufsbezogenes Verfahren zur „Dunklen Triade“. Tests aus der klini- schen und sozialpsychologischen For- schung kann man nicht im beruflichen Kontext einsetzen, sei es vom Wording her oder auch wegen rechtlicher Beden- ken. In unserem Test geht es nur um be- rufsrelevante Inhalte. TOP erfüllt die Test- gütekriterien und hat die Grundlagen, in DIN 33430-konformen Personalprozessen eingesetzt zu werden. Und wie wird der Test nun von Personalprofis bei der täglichen Arbeit eingesetzt? Schwarzinger: Entwickelt wurde er vor allem für die Personalauswahl, einge- setzt wird er auch häufig im Coaching und in der Personalentwicklung. Im Einstellungsprozess sollte er aber immer noch mit anderen Verfahren wie einem Wie erklären Sie sich das große Interesse von Berufstätigen an Büchern über Narzissmus oder Psychopathie? Dominik Schwarzinger: Das passt eben nun einmal gut in unsere Zeit. Gerade durch die sozialen Medien erkennt man immer stärker die negativen Seiten der Selbstdarstellung und auch im Wirt- schaftsbereich werden diese Merkmale heute häufiger bei Skandalen und Füh- rungsproblemen zum Zweck der Erklä- rung herangezogen. Aber ist jeder fiese Chef gleich ein Psychopath? Schwarzinger: Nein, die Häufigkeit wird massiv überschätzt. Nur weil jemand einen dieser negativen Persönlichkeits- züge hat, darf ich ihn nicht gleich in die Kategorie „Psychopath“ stecken. Erst wenn ein Muster aus vielen verschiede- nen Aspekten gleichzeitig vorliegt, kann ich davon sprechen, dass eine Person ein echter Narzisst oder Psychopath ist. Aus der Forschung weiß man, dass es in der Bevölkerung etwa je ein bis zwei Prozent Narzissten und Psychopathen gibt. Aller- dings geht es bei unserem Testverfahren um die subklinische Ausprägung dieser Merkmale, wobei die oberen zehn bis 15 Prozent als problematisch gelten. Bei einem Chef ist das dann meist mit nega- tiven Auswirkungen auf seine Mitarbeiter verbunden. Stimmt es, dass Psychopathen mit drei Prozent bei Topmanagern besonders häufig vertreten sind? Schwarzinger: Ja, das hat eine belastbare Studie von sehr anerkannten kanadischen „Drei Prozent der Topmanager sind echte Psychopathen“ PSYCHOLOGIE. In seinem neuen Buch „Dunkle Triade“ beschreibt Dominik Schwarzinger theoretische Grundlagen und aktuelle Befunde zu den drei Persönlichkeitseigenschaften Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus, die für Psychologen die „dunkle Triade“ bilden. Schwarzinger stellt das erste wissenschaftlich fundierte Testverfahren für diese Merkmale vor, wenn sie im beruflichen Kontext vorkommen. Buchtipp. Dominik Schwarzinger: „Die Dunkle Triade der Persönlichkeit in der Personalauswahl“, Verlag Hogrefe, Göttingen 2020, 34,95 Euro
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