Wirtschaft und Weiterbildung 1/2020
wirtschaft + weiterbildung 01_2020 61 Weiterbildung sieht bald so aus: selbstorganisiertes Ler- nen am Arbeitsplatz, kolla- boratives Lernen auf Social- Learning-Plattformen und individualisierte, ganz auf die Bedarfe jedes einzelnen Mitar- beiters zugeschnittene Online- kurse. Jeder Mensch wird seine Wei- terentwicklung selbst organi- sieren müssen, betonen die Autoren. Zu vielfältig sind die analogen und digitalen Qualifizierungsangebote, zu individuell werden die Lern- biografien in den kommen- den Jahren werden, dass eine übergeordnete Instanz noch vorgeben kann, was, wann und wo ein Einzelner lernen muss. Personaler helfen den Mitarbeitern, indem sie span- nende, emotionale Lernerleb- nisse schaffen. Lesenswert ist das Buch al- leine schon wegen eines Bei- spiels aus dem Profifußball. Der TSG 1899 Hoffenheim baute aus Echtzeittrackings und dem Monitoring des Verhaltens unterschiedlicher Spieler eine Art Datenbank, die zum Training im Vorfeld eines Spiels genutzt wird. Jeder wird sein Lernen selbst organisieren müssen Dr. Martina Nieswandt, Dr. Roland Geschwill, Dr. Volker Zimmermann: EdTech in Unternehmen, Springer/Gabler 2019, 162 Seiten, 39,99 Euro Ganz in der Tradition des be- rühmten Konstruktivisten Paul Watzlawick („Anleitung zum Unglücklichsein“) zählt die Autorin 78 Verhaltenswei- sen auf, die einem mehr oder weniger sofort schlechte Ge- fühle bescheren. Damit hält sie uns in humorvoller Weise den Spiegel vor. Zum Beispiel lautet ein Tipp: „Strebe an, ein Perfektionist zu sein.“ Die Autorin spricht direkt zum Leser: „Lass mich mal raten, es ist dir noch nie gelungen, perfekt zu sein? Dann hast du dich nicht genü- gend bemüht. Perfektionismus ist schließlich ein Fass ohne Boden! Und vergiss nicht, möglichst viele Menschen zu fragen, ob du etwas gut genug gut machst ... Die unterschied- lichen Meinungen werden dich erst so richtig unglücklich machen.“ Das Buch will zeigen, wie man (ungewollt) seine Unzu- friedenheit steigert, seine Mo- tivation senkt und seine Le- bensqualität einschränkt. Die Botschaft lautet: Wenn man in der Lage ist, zukünftig das Gegenteil zu machen, wird es um einiges leichter, glück- licher durchs Leben zu gehen. Das hätte ein Weihnachtsgeschenk sein können Larissa Wasserthal: Denk dich unglücklich, Verlag Business Village, Göttingen 2019, 173 Seiten, 14,95 Euro In diesem Buch wird ein für Organisationsberater außer- ordentlich spannendes Streit- gespräch abgedruckt. Fritz B. Simon vertritt den „systemthe- oretischen Ansatz“, der in ers ter Linie die Spielregeln eines sozialen Systems analysiert, um es zu verstehen. Jürgen Kriz vertritt die „personenzen- trierte Systemtheorie“. Hier steht die Person im Fokus – und zwar als beobachtendes, bewertendes, fühlendes und handelndes Subjekt. Die Grundlage bei Kriz heißt „Synergetik“, bei Simon „Autopoiese“: Ein „soziales System“ ist demnach ein ge- schlossenes System, das sich immer auf die gleiche Art re- produziert. Das System sucht sich Spieler, die zu seinen Spielregeln passen. Der Ein- zelne, der später feststellt, dass er doch nicht passt, kün- digt von sich aus oder landet im Burn-out. Die Leitidee von Kriz lautet, dass der Einzelne sich nicht als Opfer fühlen sollte, sondern (zumindest auf Teamebene) auch etwas tun kann, um die Strukturen eines Systems zu ändern. Beide An- sätze haben Auswirkungen auf die Praxis zum Beispiel bei der unterschiedlichen Beurtei- lung des Sinns von Coaching. Zwei Systemtheorien, die sich widersprechen Jürgen Kriz, Fritz B. Simon: Der Streit ums Nadelöhr, Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2019, 152 Seiten, 29,95 Euro
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