Wirtschaft und Weiterbildung 1/2020

wirtschaft + weiterbildung 01_2020 37 Es brechen unsichere Zeiten an Eine aufziehende Konjunktur- und Strukturkrise erkennt man zum Beispiel schon früh an der Zunahme der Kurz­ arbeit. Im September 2019 lag die Zahl der Kurzarbeiter bei 59.000. Im August 2019 waren es noch 54.000 – ganz zu schweigen vom August 2018, in dem es nur 41.000 Kurz­ arbeiter gab. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet auch weiterhin mit einer deutlichen Zunahme der Kurzarbeiter in der nächsten Zeit. Im Oktober war zum Beispiel in Baden- Württemberg Kurzarbeit von 619 Betrieben beantragt wor­ den. Vor einem Jahr waren es nur 83 Betriebe, was einem Zuwachs von über 600 Prozent entspricht. Die Arbeitslosigkeit an sich ist trotz der Wirtschaftsflaute auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung angelangt. Im November 2019 waren 2,18 Millionen Men­ schen in Deutschland arbeitslos. Das sind 24.000 weniger als im Oktober 2019. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit erklärt sich derzeit dadurch, dass die Zahl der Langzeit­ arbeitslosen deutlich schrumpft (66.000 weniger im Ver­ gleich zum Vorjahr). Das hängt laut Arbeitsagentur auch mit einem neuen Modell zusammen, das Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderten Stellen unterbringt (Arbeitgeber bekommen Lohnkostenzuschüsse). Landet der New-Work-Ansatz auf der Müllhalde? Wird die Wirtschaft angesichts einer drohenden Konjunk­ tur- und auch Strukturkrise wieder zu autoritären Führungs­ modellen zurückkehren und die partizipativen Führungsmo­ delle auf den Schrottplatz werfen? Die New-Work-Expertin Sabine Kluge glaubt, die partizipativen Modelle seien zumindest in traditionellen Unternehmen auf großer Fläche niemals wirklich verankert gewesen. „Die Ablauforganisa­ tionen wurden zwar fragmentarisch mit selbstorganisier­ ten Teams durchsetzt, wo Initiatoren sich bereit erklärten, diesen bisweilen steinigen Weg der Selbstorganisation zu gehen und wo Konflikte mit der Restorganisation in Kauf genommen wurden. An den Aufbauorganisationen hat sich jedoch nichts geändert“, so Kluge. Im „Personalmagazin“ (12/2019) ging sie aber davon aus, dass die New-Work-Initiativen die Krise wohl überleben würden. Hinter diesen Initiativen stünden Mitarbeiter, in der Regel eher aus der Mitte des Unternehmens, die das Neue in die Organisation kontinuierlich hineintrügen. „Viele dieser New-Work-Akteure machen schon eines richtig: Sie sind in der Regel hochvernetzt und hochkommunikativ. Dank sozialer Vernetzung werden diese Initiativen unsterb­ Hintergrund. Ein jahrelanger Aufschwung geht zu Ende. Die Politik und insbesondere die Bundesanstalt für Arbeit tun viel, damit die vorhandenen Wachstumskräfte nicht in sich zusammenbrechen. Doch was bedeutet die aktuelle Krise für die New-Work-Szene? lich, sie multiplizieren sich, sie sorgen unternehmensüber­ greifend für ein Netzwerk von Verbündeten.“ Strategien zum Überwintern Grundsätzlich seien die meisten Chefs schon von New- Work-Initiativen überzeugt, weil sie bessere Entschei­ dungen und mehr Marktnähe und Kundenorientierung brächten. Wer an das Thema „Komplexität“ denke, der verstünde schnell, warum Plan, Kommando und Kontrolle keine Wirksamkeit mehr entfalteten. Kluge beobachtet aber auch: Manches „Bällebad“ verschwinde in den Unter­ nehmen derzeit gerade im Kampf ums kurzfristige Überle­ ben. Und manche Führungskraft falle in archaische Muster zurück. „Aber das Bällebad wird nie mehr dem Kasernenhof weichen“, ist Kluge sich sicher. „Partizipation braucht kein großes Budget, sondern die Kommunikationsfähigkeit ihrer Akteure. Und daran wird in vielen Unternehmen auf vielen Ebenen eifrig gearbeitet.“ Der Tatsache, dass bislang viele agile Projekte wochenlang in den sozialen Medien abgefeiert wurden, über die bevor­ stehende Krise aber niemand spricht, kommentiert Kluge mit Verständnis: „In manchen Unternehmen gibt es aus­ gesprochene oder unausgesprochene Regeln, solche Vor­ gänge nicht nach außen zu kommunizieren. Daran müssen sich dann auch alle halten.“ Viele dächten aber auch, dass sie mit negativen Nachrichten den New-Work-Initiativen schadeten. Das wollten sie vermeiden und suchten nach Strategien zum Überwintern. Martin Pichler

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==