Wirtschaft und Weiterbildung 1/2020
R wirtschaft + weiterbildung 01_2020 35 beim weiteren Vorgehen folgende Maxi- men beachten: a) Offen kommunizieren: Der Vorstand oder die Geschäftsführung sollte den Mitarbeitern die Gründe, Ziele und den geplanten Ablauf des Personalabbaupro- zesses darlegen: • Schnell handeln: Nach der Information der Belegschaft existiert ein „Window of Opportunity“ von etwa drei Mona- ten. In dieser Zeit werden Veränderun- gen am ehesten akzeptiert. • Hängepartien vermeiden: Die Beleg- schaft durchläuft nach der Ankündi- gung des Personalabbaus ein emotio- nales Tief. Diese Situation muss schnell überwunden und der Blick wieder nach vorne gerichtet werden. • Den Personalabbau fair und sozialver- träglich gestalten: Das hilft, versteckte Kosten, beispielsweise aufgrund einer gesunkenen Arbeitsmoral und juristi- scher Auseinandersetzungen, zu ver- meiden. • Mit den Leistungsträgern Einzelge- spräche führen: Ihnen sollten unter anderem ihre Perspektiven im Unter- nehmen verdeutlicht werden, um ein Abwandern zu vermeiden. 2 Die „Vollstrecker“ führen die Maßnahme durch Wenn Personal abgebaut wird, stehen meist die vom Arbeitsplatzverlust betrof- fenen Mitarbeiter im Fokus. Wenig Beach- tung wird den „Vollstreckern“ des Vor- stands- oder Geschäftsleitungsbeschlus- ses geschenkt. Dabei benötigen sie oft eine (emotionale) Unterstützung, denn sie stehen an der emotionalen Front. Die Situation der „Vollstrecker“ ist während des Personalabbauprozesses durch fol- gende Faktoren gekennzeichnet: • eine hohe Arbeitsbelastung aufgrund zusätzlicher Aufgaben (u. a. Einzel gespräche führen, Aufhebungsverträge abschließen, Arbeitszeugnisse schrei- ben) • einen hohen emotionalen Stress wegen der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den (betroffenen) Mitarbeitern, die oft ein Feindbild gegenüber den „Voll- streckern“ entwickeln. Mit dieser Situation umzugehen, fällt vie- len Führungskräften und Mitarbeitern der Personalabteilungen schwer, weil sie auf die Aufgabe Personalabbau schlecht vor- bereitet sind und hierbei wenig (mentale) Unterstützung erfahren. Hinzu kommt: Sie durchleben ein Wechselbad der Ge- fühle. Sie empfinden Mitgefühl mit den Betroffenen; zudem befürchten sie oft selbst, mittelfristig arbeitslos zu wer- den. Denn mit der Mitarbeiterzahl sinkt auch der Bedarf des Unternehmens an Führungskräften und Personalfachleu- ten. Folglich kann die „Vollstrecker“ das loyale Umsetzen der Beschlüsse ihrer Vorgesetzten letztlich den Arbeitsplatz kosten. Diese Bedenken und Ängste kön- nen und dürfen die „Vollstrecker“ jedoch nicht zeigen. Hierfür fehlen ihnen firmen intern zudem Gesprächspartner. Dies er- höht ihren inneren Druck. Erleichterung können den „Vollstreckern“ in dieser Si- tuation zum Beispiel eine Vorbereitung auf das Führen der Trennungsgespräche in Seminaren und ein regelmäßiges Coa- ching durch externe Berater während der heißen Phase des Personalabbaus bieten. 3 Die „Gekündigten“ müssen gehen Wenn ein Personalabbau angekündigt wird, verfolgen die Mitarbeiter meist zunächst eine Vogel-Strauß-Taktik. Sie gehen in Deckung und hoffen: „Das Schicksal ‚Kündigung‘ trifft mich nicht.“ Steht fest, wer das Unternehmen verlas- sen muss, spaltet sich die Belegschaft meist in Betroffene und Nichtbetroffene. Auf die Mitteilung ihrer Kündigung re- agieren die Betroffenen unterschiedlich. Es gibt … • den Gefassten, der keine Emotion zeigt, • den Geschockten, der Mitleid erregt, • den Hysterischen, der emotional disku- tiert, • den Verhandler, der rational das Ge- spräch sucht, und • den Bittsteller, der mit seinen Unter- haltsverpflichtungen und seiner Loya- lität argumentiert. Nach diesen ersten Reaktionen suchen viele Betroffene Hilfe beim Betriebs- rat, der Gewerkschaft und/oder einem Rechtsanwalt. In dieser Phase tritt die Leistungserstellung in den Hintergrund. Quantitäts- und Qualitätsvorgaben wer- den nicht mehr eingehalten. Der Kran- kenstand steigt, Mitarbeiter stehen in Grüppchen zusammen und tauschen ihre Meinungen aus. Viele sind wütend auf das Management und die Personalabtei- lung. Sie haben Angst vor der Zukunft, weil sie wissen: Ich finde nur schwer eine neue, adäquate Arbeitsstelle. Zudem wis- sen die Gekündigten oft noch nicht, wie sie diese Herausforderung meistern sollen – insbesondere, wenn sie sich seit Jahren nicht mehr beworben haben. Dann haben sie meist keinen Überblick über den Ar- beitsmarkt. Sie wissen zudem nicht, wie man sich heute als Berufserfahrener er- folgreich bewirbt. Außerdem können sie nicht einschätzen, inwieweit ihre Qualifi- kation am Arbeitsmarkt (noch) gebraucht wird. Entsprechend mut- und perspektiv- los sind viele. 4 „Survivor“ durchlaufen ein Wechselbad der Gefühle Die „Survivor“ sind bei Personalabbau- prozessen meist die am wenigsten be- achtete Gruppe. Dabei möchte das Un- ternehmen mit ihnen die Zukunft meis- tern. Bei einem Personalabbau tragen die „Survivor“ Wasser auf beiden Schultern: Sie bedauern die Betroffenen, mit denen sie teilweise jahrelange Arbeitsbeziehun- gen und eventuell sogar Freundschaften Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmens beratung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal. Er ist Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag, 2004) sowie zahlreicher Pro jektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix- en-Provence und der technischen Uni versität Clausthal. Dr. Kraus & Partner Die Change Berater Werner-von-Siemens-Str. 2-6 76646 Bruchsal Tel. 07251 989034 www.kraus-und-partner.de AUTOR
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