Wirtschaft und Weiterbildung 1/2020
titelthema 22 wirtschaft + weiterbildung 01_2020 04. Hat das Coaching zu Verhaltensveränderungen bei mir geführt? 05. Hat sich das Coaching in meinem Alltag positiv ausgewirkt? 06. Denke ich, das erlebte Coaching wird langfristig von Nutzen sein? R deren Wunsch hin zu coachen. Im Jahr 2018 konnten so immerhin rund 80 Coa- ching-Prozesse durchgeführt werden. Für das Jahr 2019 rechnet man mit rund 250 Coaching-Prozessen. Bei der Preisverleihung in München schil- derten die zuständigen Mitarbeiterinnen, wie das interne Coaching organisiert wurde, damit von Anfang an alles gere- gelt ablaufen konnte und es keine Irrita- tionen in der Belegschaft (und im Vor- stand) gab. Für Klarheit sorgten folgende Bestandteile des internen Coaching-Pro- zesses: 1 Coaching-Definition Zuerst war es allen Beteiligten wichtig, Coaching sauber zu definieren. Coaching wird demnach als 1:1-Gespräch verstan- den, das Menschen bei der Erreichung eines spezifischen professionellen Ziels in Form eines „begleitenden Prozesses auf Zeit“ unterstützt. Coaching ist dabei ein auf Stärken basierender Prozess, der auf eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ hinausläuft. Coaching wird deutlich vom Mentoring unterschieden, wo ein berufserfahrener Manager einem Mentee beim Aufbau von Expertenwissen und beim Aufbau von (abteilungsübergreifenden) Netzwerken hilft. 2 Zugang Um den Betriebsrat mit ins Boot zu holen, wurde vereinbart, dass es keine Ein- schränkungen irgendwelcher Art geben solle und dass grundsätzlich jeder Mit- arbeiter vom „Professional“ (also zum Beispiel von einem Lageristen) bis zum „Senior Director Level“ die Durchführung eines internen Coaching-Prozesses bean- tragen können müsse. Internes Coaching gibt es also auch für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung. Im Übrigen wird auf der ersten und zweiten Füh- rungsebene wieder gecoacht – aber nur durch externe (!) Coachs. 3 Zustimmung Der Mitarbeiter spricht mit seinem di- rekten Vorgesetzten und auch mit dem für ihn zuständigen Human Resources Manager (HR). Beide fragen in gemein- samen oder getrennten Gesprächen nach dem Grund und dem Ziel des Coaching- Wunsches und können im Einzelfall den Antrag auf ein Coaching auch ablehnen. Coaching ist kein Nice-to-have, sondern muss die „Leadership Effectiveness“ er- höhen. Das ist laut Adidas der Fall, wenn an der Erweiterung der persönlichen Potenziale, der Erhöhung des Selbstbe- wusstseins, an einer Verbesserung der Zusammenarbeit oder der Förderung der Kreativität gearbeitet wird. Abgelehnt würden Wünsche nach Coaching zum Beispiel, wenn bei Kommunikations- schwächen ein gezieltes Training besser wäre oder wenn bei Burn-out-Gefahr eher eine Therapie sinnvoll erscheint. Ein in- terner Coach ist auch nicht dazu da, um für seinen Coachee nach konkreten Auf- stiegsmöglichkeiten im Konzern zu su- chen. 4 Antrag Sind sich direkter Vorgesetzter und HR- Manager einig, dass ein Coaching Sinn machen würde, schickt der HR-Manager dem anfragenden Mitarbeiter ein Online- formular. Hier trägt dieser seine persön- lichen Daten ein, erklärt, dass er seelisch 2017 fiel es „höheren Orts“ bei Adidas in Herzogenaurach auf, dass in den Jahren zuvor rund sieben Millionen Euro an ex- terne Business-Coachs geflossen waren. Die Vorstandsetage des Sportartikelher- stellers war von dieser Zahl offenbar so geschockt, dass man alle Coaching-Akti- vitäten sofort stoppte. Trotzdem bekam Ende 2019 die Adidas AG den bedeu- tenden „Prism“ Coaching-Award des deutschen Ablegers der „International Coach Federation (ICF)“ verliehen. Wie passt das zusammen? Dass Adi- das seine Coaching-Aktivitäten abrupt einstellte, hatte wohl in erster Linie mit dem Schock zu tun, den Kostenblöcke in Millionenhöhe im Topmanagement auslösen können. Dem Stopp ging keine Analyse voraus, ob Coaching nützlich sei oder nicht. Über den Sinn von Business- Coaching hätte es nach Einschätzung von Insidern auch überhaupt keinen Streit gegeben, denn Coaching hatte auf allen Hierarchieebenen Fürsprecher, die nach der von oben befohlenen Vollbremsung recht schnell begannen, Coaching zu ver- missen. Bei den Profis, die bei Adidas für das Ta- lentmanagement zuständig sind, reifte kurzfristig die Idee, Coaching nur noch mit firmeninternen Coachs durchzufüh- ren, sodass künftig kein einziger Euro das Unternehmen verlassen müssen sollte. Bei einer Bestandsaufnahme stellte sich heraus, dass es nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Personal- abteilung eine Reihe von Mitarbeitern gab, die eine abgeschlossene Coaching- Ausbildung nach ICF-Standard vorweisen konnten. Diese Menschen erklärten sich auf Nachfrage spontan bereit, einen Teil ihrer Arbeitszeit dafür zu verwenden, Kollegen aus anderen Abteilungen auf
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