Wirtschaft und Weiterbildung 2/2020

62 wirtschaft + weiterbildung 02_2020 Stefanie Hornung hot from the US Ray Anderson, der Gründer des internationalen Teppichunternehmens „Interface“, erzählt bereits in dem im Jahr 1998 erschienenen Buch „Mid-Course Correction“ die Geschichte, wie er als überzeugter Industrieller das Thema Nachhaltigkeit entdeckte und sein Unternehmen komplett danach ausrich- tete. Erfolgreich sein, indem man Gutes für die Umwelt tut – das war sein Credo. Der Autor beschreibt Vision, Mission und Strategie des Vorzeigeunternehmens und erklärt die eigens erarbeiteten Kennzahlen und Entscheidungshilfen für Umweltdilemmata, mit denen ein Chef klarkom- men muss. Interface ist nun einmal ein Paradebei- spiel für das purpose-driven Business. Ständige Lernbereitschaft forderte Anderson nicht nur im eigenen Betrieb. Seine Initiative OWL (One World Learning) öffnete er auch für andere Unternehmen. Das Lernprogramm basiert auf erfahrungsorien- tiertem Lernen, Teambuilding und persönlicher Wertefindung. In der 2019 erschienenen Neuauf- lage des Buchs hat Andersons Enkel John Lanier, der Geschäftsführer der Ray C. Anderson Stiftung ist, einige Kapitel hinzugefügt. Schon zu Andersons Lebzeiten – der Unternehmer starb 2011 – zeigte sich die Innovationskraft, die die Nachhaltigkeit freisetzen kann: Interface erweiterte sein Portfo- lio modularer Büroteppiche um das Leasing von Teppichen. Dabei gehört der Bodenbelag weiterhin dem Hersteller. Verkauft wird der Service darum herum: Nutzung, Reinigung, Instandhaltung und Erneuerung. Heute arbeitet das Unternehmen unter anderem an einer Technik, die Kohlendioxid in einen Rohstoff zur Teppichproduktion verwandeln soll. Das Buch wird aufgelockert durch einige Interviews mit Topmanagern und Wegbegleitern des Unterneh- mens „Interface“, darunter etwa der Umweltaktivist und Impulsgeber Paul Hawken. Lesenswert ist die Neuauflage auch wegen eines Gedankenexperi- ments, das der Anderson-Erbe am Ende wagt: Er überträgt den Purpose-Ansatz gleich auf unser gesamtes Wirtschaftssystem. Um einen Kollaps zu verhindern, wenn natürliche Ressourcen zur Neige gehen, schlägt er statt Wachstum ein neues Ziel vor: Wohlstand, der kein Selbstzweck ist, sondern menschlichem Glück dienen soll. Die Stimmen möglicher Kritiker klingen dem Autor wohl schon im Ohr: Er beteuert, er plane keine Revolution, sondern glaube an eine Evolution der Wirtschaft. Skepsis und Gegenwind hatte auch Ray Anderson immer wieder erlebt – intern wie extern. Gegen alle Widerstände hat er mit seiner Persönlichkeit und gutem Storytelling überzeugt. Wird seinem Enkel Ähnliches gelingen? Mit „Mid-Course Correction revisited“ beschreibt er die Dringlichkeit einer Umorientierung der Unternehmen in der heutigen Zeit: langfristig überleben kann nur ein nachhaltig arbeitender Unternehmer. Das Buch ist ein Weckruf, Umweltschutz nicht auf die lange Bank zu schieben, weil die Kunden es verlangen und weil man es den nachfolgenden Generationen schuldig ist. Weg von der Profitorientierung Anleitung zur Kurskorrektur Die freie Journalistin/Reporterin Stefanie Hornung hat sich auf die Themen New Work, Personalmanagement und Diversity spezialisiert. Sie gehörte viele Jahre als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen „Zukunft Personal“, „Personal Nord“ und „Personal Süd“. Außerdem war sie Chef- redakteurin des Onlineportals „HRM.de “. Mail: s.hornung.ma@gmail.com Foto: Ines Meier John A. Lanier, Ray C. Anderson: The Story and Legacy of a Radical Industrialist and his Quest for Authentic Change, Chelsea Green Publishing, New York 2019, 288 Seiten, 15,00 Euro Wohlstand sollte dem menschlichen Glück dienen! „ „

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