Wirtschaft und Weiterbildung 2/2020

wirtschaft + weiterbildung 02_2020 49 nächsten Karriereschritt braucht. Diese kann er über Trainings auf der Lernplatt- form nachvollziehbar erwerben oder über bestimmte Tätigkeiten, zum Beispiel durch die Mitarbeit an einem Projekt. Damit gehen wir ausdrücklich weg von der Vorstellung, dass sich Kompetenzen nur in Trainings vermitteln lassen und mit Lernerfolgskontrollen bestätigen. Die beiden Elemente – also Talentmanage- ment und Lernen – sind aber auch Seam- less miteinander kombiniert. Ist es möglich, die Anforderungen einer bestimmten Position und das Jobprofil eines Mitarbeiters mit seinen Kompetenzen abzugleichen, um einen individuellen Lernpfad zu entwickeln und um die Empfehlungen dann im Lernportal abzubilden? Peter: Genau so ist es gedacht. Die Lern- empfehlung wird sowohl im Talentma- nagement-System als auch auf der Lern- plattform abgebildet. Per API wird das in beide Richtungen dargestellt, sodass es dem Lernenden am Ende egal ist, wo er den Einstiegspunkt für seine Karriere ge- funden hat. Er sieht in beiden Systemen das Gleiche und kann per Knopfdruck hin- und herwechseln. Eine LXP zeichnet sich unter anderem auch durch User Generated Content aus. Wie gehen Sie damit um? Peter: Wir haben interne Wissensträger, die Inhalte bereitstellen und kleine Kurse machen. Das freut uns als L&D sehr, denn das haben wir lange gepredigt. Nach dem Motto: „Das ist einer von uns, der muss es ja wissen“, kriegen wir so weit mehr Akzeptanz als bei den zugekauften Lern- inhalten. Wir unterstützen die Mitarbeiter mit Tools wie Slidepresenter oder Tools für den Videoschnitt, die wir lizensiert haben und kleinen passenden Anleitungen zur Nutzung. Es gibt jederzeit einen An- sprechpartner und wir helfen gerne bei den Lernzielen oder bei der Umsetzung. Der User kann den Inhalt aber nicht selbst hochladen, das läuft immer über uns. So stellen wir sicher, dass wir den Lerninhalt mit einem Minimalset an In- formationen und Tags ergänzen können, damit er gefunden und den richtigen Leu- ten zugewiesen wird. Wie sieht es mit dem berühmten Social Learning aus, das idealerweise in eine Lernplattform integriert werden sollte? Peter: An einem Konzept, wie wir ein Enterprise Social Network in die Lern- plattform integrieren, arbeiten wir noch. Die Lernplattform selbst bietet ein biss- chen Social Learning mit an. Es gibt zu jedem Kurs eine Community, sodass sich die Lernenden in dem Kurs und zu dem Thema austauschen können. Das hat aber noch zu wenig Social-Learning- Charakter, da wollen wir noch mehr er- reichen. Wie und wann haben Sie den Betriebsrat eingebunden? Peter: Der Betriebsrat wird bei uns bereits vor der Planung eines neuen Tools inte­ griert und ist bei der Umsetzung eng ein- gebunden. So stellen wir sicher, zu jeder Zeit im Sinne der Mitarbeiter zu entwi- ckeln. Hat die Unternehmensleitung die Einführung unterstützt? Wie? Peter: In der Unternehmensstrategie steht das Element „Bringing out the best in all of us“. Das hat uns unglaublich geholfen. In dem Moment, als diese Strategie ver- abschiedet wurde, war klar, dem Thema Weiterbildung kommt eine viel größere Bedeutung zu. Das hat uns in die Lage versetzt, nicht nur in Inhalten zu denken, sondern in Learner Journeys. Wir können bestimmte Dinge nur erreichen, wenn der ganze Prozess stimmt. So haben wir unser eigenes Selbstverständnis komplett auf links gedreht. Das bedeutete, deut- lich mehr Marketing zu machen, deut- lich mehr in Prozessen zu denken, viel mehr unsere Lernenden einzubeziehen. Zum Beispiel in kontinuierlichen Kunden­ panels, bei denen wir unsere Kunden fra- gen, wie wir ihnen weiterhelfen können. Auch bei Themen, die sie noch gar nicht als problematisch erachten oder die sie noch gar nicht im Fokus haben. Wenn wir das Problem erkennen, können wir daran arbeiten, mögliche Lösungen mit Weiterbildung zu begleiten. Es war eine ganz klare Vorgabe der Unternehmenslei- tung, dass alles, was wir machen, seam- less sein muss. Wir müssen dafür sorgen, dass der Kunde oder der Teilnehmer oder der Lerner einfach von einer Anwendung in eine andere wechseln kann und dass die Inhalte zueinander passen. In der klassischen pädagogischen Diskussion heißt das, den Teilnehmer da abholen, wo er steht. Zum Beispiel auch mit reisenden Referenten, die direkt beim Kunden eine Schulung anbieten. Seamless heißt also nicht nur, wir haben jetzt eine aufeinan- der abgestimmte Onlinewelt. Das kann genauso gut offline passieren. Geholfen haben uns auch die neuen Prozesse im Rahmen der digitalen Transformation, kollaboratives Arbeiten, Transparenz, die Einführung von OKRs, die uns einen großen Geschwindigkeitsschub gebracht haben, crossfunktionales Arbeiten. Ein Produktmanager, der früher nur in Pro- dukten gedacht hat, denkt jetzt auch in Lerninhalten. So konnten wir das ganze Thema Lernen neu definieren und auf ein ganz anderes Level heben. Es wurden also alle Erwartungen erfüllt? Peter: Die Plattform ist seit drei Jahren live. Wenn ich eine Note vergeben sollte, dann wäre es eine sehr gute Zwei. Wir sind super zufrieden. Der einzige Pferde- fuß ist, dass wir mit den Weiterentwick- lungen, die wir gerne hätten, nicht hin- terherkommen. Wir möchten das User In- terface noch attraktiver machen und den Funnel interessanter gestalten, da geht es um Algorithmen. Es gibt noch Poten- zial, das wir heben wollen. Wenn ich die Mitarbeiterseite betrachte, sind wir super zufrieden. Bei den Kunden gibt es noch Luft nach oben. Sie sind oft noch nicht gewohnt, digital zu lernen und wir müs- sen ihnen den Einstieg leichter machen. Interview: Gudrun Porath „Jeder neue Mitarbeiter bei Viessmann muss lernen, wie eine Heizung funktioniert. Dieses Grundlagenwissen haben wir in einen Onlinekurs gepackt.“

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