Wirtschaft und Weiterbildung 2/2020

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 02_2020 „Wir brauchen eine Kultur des Sichtrauens“ Solange Unternehmen an althergebrachten, hierarchischen Strukturen festhalten, hat der Wandel keine Chance. Denn selbst die kreativsten Mitarbeiter verstummen irgendwann, wenn sie ihre Ideen erst durch fünf Abnahmestationen boxen müssen. Statt Raum für kreative Expeditionsreisen zu schaffen, verteidigen einige Führungskräfte ihr Terri- torium vehement gegenüber Neuerungen. Aus Angst vor Kontrollverlust? Oder aus Sorge davor, dass Mitarbeiterpro- jekte scheitern könnten? Fakt ist: Wir können niemals zu 100 Prozent sicher sein, dass eine Idee von Erfolg gekrönt sein wird. Der Charme des Projektlernens besteht gerade darin, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich und selbstgesteuert ein Projekt übernehmen, das ein bislang noch ungelöstes Pro- blem ihres Arbeitgebers löst. Davon hat das Unternehmen etwas und die Entwicklung des Einzelnen profitiert auch davon – und zwar sehr stark, denn dieser übernimmt das Risiko des Scheiterns. Sicheres Lernen sei wertloses Ler- nen, sagen die Projektlernexperten. Motivations-Bonbons reichen nicht mehr Doch wie sieht es zur Zeit immer noch in der Praxis aus: Langwierige Unternehmensprozesse und veraltete Füh- rungsstile haben längst unschöne Spuren hinterlassen und sich tief ins kulturelle Rückgrat vieler Unternehmen gegra- Gastkommentar. Viele Unternehmen haben sich agiles Arbeiten in großen Lettern auf ihre Banner geschrieben. Doch damit ist es nicht getan. „Wir brauchen eine Kultur des Muts, in der die Mitarbeiter ihre eigenen Ideen einbringen und aktiv umsetzen“, fordert Eva-Maria Kraus. Brückenbau. Hier geht es um die Fähigkeit, „Gräben“ durch den Austausch von Ideen zu überwinden. ben: Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift und zählen penibel ihre Arbeitsstunden. Ihr Leitspruch: „Bloß nicht auffallen. Bloß keine Fehler machen!“ Hand aufs Herz: Wer will denn noch einen Chef, der rumkom- mandiert, kontrolliert, bestraft – und einem vielleicht ab und zu mal ein Motivationsbonbon hinschmeißt? Und wer fühlt sich aktiv in Change-Vorhaben involviert, wenn er von oben finale Entscheidungen vorgesetzt bekommt? Inner- lich haben viele Mitarbeiter in solchen Unternehmen längst gekündigt. Fehlerkultur leben Eine „Kultur des Sichtrauens“ braucht Führung auf Augen- höhe sowie Strukturen, Regeln und Arbeitsweisen, die die Kreativität befeuern, statt sie trockenzulegen. Nur wenn Firmen eine gute Fehlerkultur leben, ist für jeden Raum, um sich auszuprobieren, sich Fehltritte zu erlauben, daran zu wachsen und es beim nächsten Mal besser zu machen. So geht persönliches Wachstum. So geht Innovation. Unternehmen brauchen dringend eine Kultur, in welcher der kreative Spirit frei atmet, statt an steilen Hierarchien, verstaubten Führungskonzepten und starren Silos zu ersticken. Der Kulturwandel ist der Schlüssel zum Erfolg – um die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 zu meistern und in Zukunft innovativ und damit wettbewerbs- fähig zu bleiben. Doch viele Unternehmen verstärken sogar noch die Silo- mauern und Hierarchiegrenzen, indem sie Fach- und Füh- rungskräfte getrennt voneinander ausbilden und weiter- entwickeln. Zeit für eine Wende! Zeit für den Wandel! Aus meiner Sicht kann eine Revolution der betriebsinternen Weiterbildung entscheidend dazu beitragen, Gräben zu schließen und Leader und Experten zu verbinden. Das neue Motto: Zusammenführen, um in Zukunft zusam- men zu führen. Wie das genau aussehen kann, macht der Game-Changer-Lehrgang vor. Hier begegnen sich Menschen, die eine Fachexpertenlaufbahn eingeschla- gen haben, und Führungskräfte auf Augenhöhe, um dort, wo es sinnvoll ist, mit- und voneinander zu lernen. Game Changer sein heißt: Raus aus dem Silodenken, rein in die Zukunft, rein in das vernetzte Arbeiten und New Work. Lie- ber gemeinsam agieren, anstatt zögerlich auf den Wandel zu reagieren. Denn gemeinsam geht‘s schneller voran. Eva-Maria Kraus www.newview.at Foto: Harry Krenn

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