Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

R wirtschaft + weiterbildung 06_2020 43 überregionaler oder regionaler Anbieter mit solchen Tools wie Webseite, Blog, Linkedin, Facebook & Co überhaupt er- reichen? • Wie schaffe ich es, dass meine Web- seite, mein Blog, meine Videos nicht nur im Netz stehen, sondern auch von meinen Zielkunden gefunden und gele- sen bzw. angesehen werden? • Wie entwickle ich Content für die ge- nannten Medien – und zwar so, dass die Input- und Output-Relation stimmt und die Content-Produktion kein Selbstzweck ist? • Wie nutze ich den generierten Content crossmedial? Bezogen auf alle vorgenannten Fragen haben die meisten Bildungs- und Bera- tungsanbieter zu wenig Know-how – selbst wenn sie Digital Natives sind. Pau- schalisiert lassen sich im Trainings- und Beratungsmarkt zwei Personengruppen unterscheiden. Gruppe 1: Das sind die „alten Hasen“, deren Schläfen bereits graue Haare zie- ren. Ihnen ist weitgehend bewusst, dass es einen fundamentalen Unterschied macht, ob ein (Beratungs-)Unternehmen im B2B- oder B2C-Bereich tätig ist, „Nice- to-have-Produkte“ oder strategisch rele- vante Dienstleistungen verkauft oder nur regional (wie viele Coachs) oder überregi- onal tätig ist, weshalb im Marketing- und Vertriebsbereich auch unterschiedliche Strategien nötig sind. Die „alten Hasen“ müssen aber schon bei recht einfachen Online-Marketingaufgaben laut um Hilfe schreien und einen Digital Native rufen, weil sie mit dem Handling der modernen LuK-Technik wenig Erfahrung und Rou- tine haben. Gruppe 2: Die Digital Natives der Gene- rationen X,Y und Z, die zwar virtuos ihre Smartphones und Tablets nutzen und im Handumdrehen mit solchen CMS-Syste- men wie WordPress und Typo3 Websei- ten und Blogs konzipieren. Ihnen fehlt aber oft das Bewusstsein, in welchem Markt bin ich oder ist mein Unternehmen überhaupt unterwegs und wie ticken zum Beispiel die Entscheider in den Unterneh- men oder wie ist das Mediennutzungsver- halten der Personen, die letztlich über die Vergabe von Aufträgen entscheiden? Trotz ihrer unterschiedlichen Stärken und Schwächen haben die beiden Per- sonengruppen in der Regel jedoch ein gemeinsames Defizit: Ihnen fehlt eine Bewertungskompetenz, was bei der Nut- zung der digitalen Medien überhaupt zielführend ist und wann und unter wel- chen Voraussetzungen bei ihren digitalen Aktivitäten der potenzielle In- und Out- put in einem angemessenen Verhältnis stehen. Entsprechend leicht lassen sich die „alten Hasen“ von Online-Marketing- und Social-Media-Agenturen Blogs, Vi- deokanäle und Social-Media-Accounts aufschwatzen. Entsprechend viele „tote“ Blogs, Videokanäle und Social-Media- Accounts findet man im Netz. Und die Digital Natives? Sie lassen sich oft schnell für irgendwelche Tools begeistern, die von den Online-Marketing- und Social- Media-Agenturen gerade als das neuste Zaubermittel gehypt werden, ohne zu reflektieren: Gilt dies überhaupt für un- seren Markt? Als Beispiel seien nur solche „Tools“ wie Landingpages und Marke- ting-Funnel sowie solche Stichworte wie „Content-Marketing“ und „Social-Media- Marketing“ genannt. Eine zentrale Ursache für die allgemeine Verunsicherung ist: Weder Google & Co noch Facebook, YouTube & Co geben ihre Algorithmen preis. Deshalb ist man, wenn es zum Beispiel um das Optimie- ren von Webseiten oder das Generieren von Followern in den Social Media geht, weitgehend auf Vermutungen und Erfah- rungswerte angewiesen. Entsprechend viele Mythen existieren in diesem Be- reich. Drei Online-Marketer haben mindestens zehn Meinungen In der Juristerei lautet ein Bonmot: „Drei Rechtsanwälte ergibt vier Meinungen“. Im Online-Marketing-Bereich sollte dieser Spruch eher lauten „Drei Online-Marketer zehn Meinungen“, denn abhängig von ihrer Provenienz und ihrem Geschäftsfeld haben sie völlig unterschiedliche Erfah- rungswerte und Credos. Entsprechend groß ist in der Regel die Irritation der Berater, die mehrere (Online-)Marketing- Berater beziehungsweise „Einflüsterer“ haben, die Teilaufgaben ihres Marketings übernehmen. Diese zielen oft in völlig un- terschiedliche Richtungen, auch um mehr Aufträge und Umsatz zu generieren. Der bekannteste Online-Marketing-Mythos dürfte sein: „Content ist king“. Seine Pro- tagonisten – oft verkappte PR-Agenturen, die neue Betätigungsfelder suchen – sug- gerieren den Beratern: „Je mehr wertigen Content ihr ins Netz stellt, umso besser werdet ihr dort gefunden.“ Also wird Content ohne Unterlass produziert. Dabei sollten sich manche Berater eher fragen: Nun habe ich schon so viel Content – in Form von Whitebooks, Blog-Beiträgen, Videos produziert, den man bei Google nicht findet, und warum soll ich dann auch noch weiteren Content produzieren, den man vermutlich ebenfalls nicht fin- den wird? Ein weiterer Mythos ist: „Desktop ist tot, die Zukunft ist mobil“. Er führte unter anderem dazu, dass viele Berater ihre Webseite als sogenannte Onepager kon- zipierten, weil ihnen Online-Marketer suggerierten: Das zentrale Ranking-Krite- rium von Google & Co wird, wie nutzer- freundlich eine Webseite für die User der mobilen Endgeräte ist. Eine Folge hiervon ist: Ihre Webseiten werden heute bei der Google-Suche gar nicht mehr gefunden – außer man gibt den Unternehmensnamen als Suchbegriff ein, denn: Wenn eine Webseite faktisch nur aus einer Seite be- steht, kann man eine Webseite auch nur auf ein, zwei Begriffe, also zum Beispiel den Unternehmens- oder Beraternamen optimieren. Für mehr fehlt die Angriffs- fläche. Zudem zeigt sich, wenn man die Web- seiten von B2B-Beratern analysiert: Mindestens zwei Drittel ihrer Besucher kommen auch heute noch über die sta- tionären Endgeräte, weil sich die Besu- cher nicht privat, sondern beruflich für die Leistungen der Berater interessieren. Deshalb rauschen die Besucherzahlen am Wochenende auch stets in den Kel- ler. Und analysiert man die Verweildauer, stellt man fest: Die stationären Besucher verweilen fünf- bis sechsmal so lange auf den Webseiten wie die mobilen Be- sucher, denn niemand hat Lust, sich auf einem Smartphone über ein so komplexes Thema wie digitale Transformation zu in- formieren. Besonders groß ist die Verunsicherung vieler Berater, wenn es um die Social- Media-Kanäle geht, da sie registrieren: Selbst der doofste Dschungel-Camp-

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