Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020
R wirtschaft + weiterbildung 06_2020 37 Wer das Verhalten seiner Mitarbeiter nachhaltig verändern will, muss inves- tieren: nicht unbedingt Geld, aber Ideen, und er muss auf den Wissenstransfer in die Praxis achten. Das Design eines Trainings ist übrigens nur einer von drei Bereichen, die für den Transfererfolg entscheidend sind. Die beiden anderen heißen „Teilnehmende“ und „Organi- sation“. Und häufig ist es der dritte Be- reich, die Organisation, der die größten Transfer-Challenges darstellt und dabei am wenigsten vom E-Learning Designer adressiert werden kann – vermeintlich! Denn tatsächlich gibt es in jedem der drei Bereiche mehrere Stellhebel, die wir auf „wirksam“ stellen können – auch im E- Learning. Denn mal ehrlich, stecken wir nicht viel zu schnell den Kopf in den Sand und neh- men uns als Personalentwickler selbst aus der Verantwortung? Frei nach dem Motto: „Da kann ich ja gar nix tun! Da habe ich leider keinen Einfluss drauf!“ Kurz gesagt, beschreibt das Wort „Trans- fer“, wie intensiv und nachhaltig die Nutzer eines Trainings ihre erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten oder Einstellun- gen im Job wirklich einsetzen. Das Man- tra der Transferförderung heißt: kleine Schritte machen! Es geht um anschluss- fähige Mini-Maßnahmen in Richtung mehr Transfererfolg, die weder die Teil- nehmer noch das Unternehmen überfor- dern. Transferfördernde Maßnahmen, die so klein und einfach sind, dass sie gerne und ohne Widerstand oder Aufse- hen implementiert werden können. Wie kann das konkret klappen? Hier kommen fünf Quick-and-easy-Tools, die tatsächlich immer gehen: 1. Wie kann ich den Vorgesetzten mit ins Boot holen? Regen Sie ein Gespräch mit der Führungs- kraft an, das der Trainingsteilnehmer füh- ren soll. Die entsprechende Mail, mit der er seine Führungskraft zu einem solchen Gespräch einlädt, formulieren Sie vor, so- dass die Lernenden diese nur noch ergän- zen und abschicken müssen. Die Aufgabe an die TeilnehmerInnen lautet etwa: Hol deinen Vorgesetzten mit ins Boot. Sorge gleich jetzt dafür, dass sich dieses Trai- ning lohnt für dich, dein Team und dein Unternehmen. Der Mailtext könnte zum Beispiel so lauten: „Lieber Vorgesetzter, um (Nutzen fürs Unternehmen) … absol- viere ich ja das digitale Training (Titel) … Grob geht’s dabei um (Kernbotschaft) … Damit ich für mich und unser Team das Optimale raushole, bin ich sehr an deinem Feedback interessiert: Was ist aus deiner Sicht für uns besonders wichtig? Was erwartest du? Welches Projekt/Auf- gabe/Rahmenbedingungen soll ich im Hinterkopf haben? Wann wollen wir uns dazu austauschen?/Ich freue mich auf dein Feedback.“ Auch im Verlauf des Trainings sollten Sie solche Gespräche anregen – ebenfalls mit Buttons bzw. vorformulierten Aufgaben à la „Idee mit meiner Führungskraft teilen“. Fazit: Schon ein fünfzehnminütiges Ge- spräch vor oder nach dem Onlinelernen zwischen Führungskraft/Vorgesetztem und Teilnehmer steigert laut Forschung die Transferwirksamkeit. 2. Wie soll ich aktives Üben anregen? Bauen Sie in Ihr digitales Training nach jedem Impuls eine Mini-Übung ein. Das sollte Ihnen in Fleisch und Blut überge- hen wie einatmen und ausatmen. Aber Vorsicht: Einatmen, also Inhalte „konsu- mieren“, ist nicht gleich lernen. Um In- halte im Gehirn zu verdrahten, müssen die Teilnehmer mit dem Content inter- agieren, geistig, durch aktive Erfahrungen und am besten sogar haptisch. Für Ler- ner ist das zumeist anstrengend. Unser Gehirn arbeitet nun mal am liebsten im Energiesparmodus und ist versucht, an- statt zu üben, gleich zum nächsten Con- tent-Nugget weiter zu scrollen. Wenn wir nur von Inhalt zu Inhalt zappen, braucht das Gehirn sehr wenig Energie, das ist gemütlich – und gleichzeitig bekommen wir auch ein bisschen Dopamin, weil wir Neues erfahren. Es fühlt sich an, als hät- ten wir tatsächlich etwas gelernt und das mit Glücksgefühl. Die Mission scheint erfüllt. Leider nicht! Im Präsenztraining ist das oft der Moment, an dem sich die Teilnehmer nach einer unterhaltsamen Präsentation des Trainers sichtlich aufraf- fen müssen, um sich in die Gruppenarbeit zu bequemen. Und im E-Training ist es der Punkt, an dem der anregende Inhalt fertig geklickt wurde und dann plötzlich eine Aufgabe den Dopamin-Flow des Neuen unterbricht. Das Gehirn möchte am liebsten im Sparmodus bleiben – aber nachhaltig gelernt wird dann nichts. Hier sollten wir im E-Learning ganz genau hinschauen und fördern, dass unsere Teilnehmer statt nur Content zu konsu- mieren tatsächlich üben und selbst etwas tun – am besten einen kleinen Schritt, denn der hat die größte Wahrscheinlich- keit, tatsächlich getan zu werden. Übung im Transfersinne ist übrigens nicht „ir- gendetwas“ tun, sondern im besten Fall schon genau die Handlung, die durch das Training angeregt werden soll – oder eine Vorstufe davon. Wenn Sie zum Beispiel ein Präsentationstraining designen, lassen Sie Ihre Lernenden keine Do’s und Don’ts eines guten Einstiegs aufschreiben. Ma- chen Sie es besser, praktischer, direkt anwendbar: „Was sind deine ersten zwei Sätze bei deiner nächsten Präsentation?“ Das ist nicht nur „Beschäftigung“ der Lernenden, sondern tatsächlich transfer- wirksames Üben und damit Zeitersparnis statt Zusatzarbeit. Für Übungen gilt: „Hot Trigger“ sind der Königsweg! Die Übung ist im besten Fall eine Handlung, die der Lernenden sofort ausführen kann – just in dem Moment, in dem er die Aufgabe liest. Zudem beachten sollten wir unbe- dingt ein Grundprinzip der Persuasive Technology: „Mach es deinen Usern zu einfach, um es nicht zu tun!“ Das klappt gut, wenn wir: 1. Aufgaben kleiner, einfacher machen. Im Sport sind drei Liegestützen morgens nach dem Zähneputzen, die wir wirk- lich machen, viel besser als 30 Minuten Workout, das wir immer wieder vor uns herschieben. Wenn Sie Ihre Lernenden beispielsweise dazu bewegen, jeden Tag einen einzigen Gedanken, einen Begriff oder auch nur eine Frage zum Training aufzuschreiben, ist das genau der richtige und wirksamere Ansatz. „Kleine Schritte haben die größte Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden.“ Dr. Ina Weinbauer-Heidel
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