Wirtschaft + Weiterbildung 6/2020

R wirtschaft + weiterbildung 06_2020 31 noch Hunderttausende von Pauschal- und Individualtouristen auf einen Rück- flug aus der ganzen Welt warteten. Entscheider haben immer zu wenige Fakten Vermutlich haben unsere Spitzenpolitiker aufgrund des Handlungsdrucks in den letzten Monaten mehr weitreichende Ent- scheidungen getroffen und Maßnahmen entschieden als sonst in mehreren Legis- laturperioden. Danke hierfür! Dass unter diesen Rahmenbedingungen nicht jede Entscheidung bis in die letzte Verästelung durchdacht und jede Maßnahme bis ins kleinste Detail geplant sein konnte, ist klar. Entsprechend kleinlich wirkte oft die Kritik mancher Vertreter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessengruppen sowie Oppositionspolitiker. Doch nicht nur bei der Entscheidungs- findung in der Politik, auch in der Wirt- schaft und in den Unternehmen spielt die Szenariotechnik eine wichtige Rolle. So auch bei der Corona-Krise. Eher ge- ring war deren Bedeutung noch in der Anfangsphase. Denn erst nach dem Aus- bruch der Pandemie in Deutschland An- fang März und dem von der Regierung am 23. März beschlossenen Lockdown wurde das Corona-Virus auch für viele Betriebe existenzgefährdend und die Top­ entscheider mussten zunächst einmal die erforderlichen Akutmaßnahmen ergrei- fen – wie zum Beispiel die Liquidität ihrer Unternehmen sichern. Doch nachdem dies geschehen war, wendete sich ihr Au- genmerk zunehmend der Frage zu: „Was können oder sollten wir tun, um die Exis- tenz unseres Unternehmens mittel- und langfristig zu sichern und aus der Krise eventuell sogar gestärkt hervorzugehen?“ Recht einfach ließ sich diese Frage be- zogen auf die vielen Kleinunternehmen wie Gastronomiebetriebe und Friseur­ salons beantworten, deren Markt primär ein lokaler ist: Wenig! Bei ihnen lautete die Kernfrage: Haben sie die finanziellen Ressourcen, um die Krise zu überstehen? Wenn „nein“, sind sie spätestens pleite, wenn die Soforthilfen der Bundesregie- rung aufgebraucht sind. Und wenn „ja“? Dann werden sie, sobald erlaubt, ihre Tore wieder öffnen und weitgehend ein „business-as-usual“ betreiben. Dessen ungeachtet stellen sich jedoch bezüglich ihres Fortbestands auch zwei grundsätz- liche Fragen : • Werden die Bundesbürger nach der Krise noch ihre Bekleidung oder Ähn- liches weitgehend im stationären Han- del kaufen oder wird der Onlinehandel einen nachhaltigen Push erfahren? • Werden die (Fast-Food-)Restaurant­ ketten nach der Krise einen Großangriff starten, um in dem atomisierten Markt einen größeren Marktanteil zu gewin- nen? Komplexer stellt sich die Situation bei den meisten größeren Unternehmen dar, deren Markt ein nationaler, multinationa- ler oder gar globaler ist. In ihnen sehen sich sogar erfahrene Entscheider beim Versuch, die Frage „Wie geht‘s weiter?“ zu beantworten, mit ihnen bisher unbe- kannten Schwierigkeiten konfrontiert, denn: Einerseits sind der weitere Ver- lauf der Corona-Krise und ihre Folgen weltweit noch nicht abschätzbar, doch andererseits ist heute schon klar: Krisen- bedingt verändern sich die Rahmenbedin- gungen des wirtschaftlichen Handelns für die meisten Unternehmen so stark, dass sie ihre bisherigen Strategien grundsätz- lich überdenken müssen. Die Entscheider müssen die Krise erst „begreifen“ Wie vielschichtig und komplex der Trans- formationsprozess im Gefolge der Krise ist, wird den Entscheidern meist erst be- wusst, wenn sie die Ist-Situation reflek- Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmens ­ beratung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal. Er ist Autor des „Change Management Handbuch“ (Cornelsen Verlag, 2004) sowie zahlreicher Pro- jektmanagementbücher. Seit 1994 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix- en-Provence und der technischen Uni- versität Clausthal. Dr. Kraus & Partner Die Change Berater Werner-von-Siemens-Str. 2-6 76646 Bruchsal Tel. 07251 989034 www.kraus-und-partner.de AUTOR

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